Lesezeit: ca. 12 Minuten / zuletzt aktualisiert am: 20. Februar 2024
Diversität im Marketing ist kein „Nice-to-have“ – insbesondere die Gen Z fordert sie von Brands ein. Aber auch mit Erfolg?
Zumindest immer öfter sehen wir eine Vielfalt an Sexualität und Ethnien in der Werbung sowie gezielte LGBTQIA+ Kampagnen (vor allem natürlich im Pride Month Juni). Zunächst ein Schritt in die richtige Richtung, auf den allerdings noch viele weitere folgen müssen. Denn viel zu oft steckt hinter solchen Aktionen mehr Schein als Sein.
Warum aber legt die Gen Z so viel Wert auf Diversität im Marketing und was bedeutet das genau für die Markenkommunikation? Antworten gibt es in diesem Deep Dive zum Thema Diversity Marketing, der auch Teil unserer Studie „OK Zoomer – Marketing für die Gen Z“ ist. Wir schauen, was diverses Marketing ausmacht, was performativer Aktivismus ist und welchen Einfluss gendergerechte Sprache hat.
Das Wichtigste in Kürze:
- Der Gen Z ist das Thema Diversität so wichtig wie keiner anderen Generation vor ihr.
- Zwei Drittel der Gen Z kaufen eher von Marken, die Diversität in ihrer Werbung kommunizieren.
- Die Gen Z besitzt einen Bullshit-Detektor: Trittbrettfahrer im Diversity Marketing werden entlarvt.
- Keine Worte ohne Taten: Die Gen Z will Diversität sehen – in der Werbung, aber auch in der Belegschaft der Unternehmen.
- Gendern ist keine Eintagsfliege und wird bei der Gen Z zunehmend relevanter.
Inhaltsverzeichnis
Gen Z & Diversity: How come?
Ob auf Film, Fernsehen, Literatur oder eben Werbung – was hat es damit auf sich, dass eine ganze Generation auf einmal genauer hinschaut und fordert: Hier fehlt Diversität! Die Teengeist-Umfrage zu Diversität und Diskriminierung bei der Gen Z zeigt, dass 60 Prozent der Befragten das Thema Diversity in ihrem persönlichen Alltag eher wichtig bis sehr wichtig ist.
Die Antwort auf das „Warum“ scheint einfach: Weil es sie betrifft. Denn 61 Prozent haben bereits Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht.
- 19 Prozent davon aufgrund ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten
- 16 Prozent aufgrund ihrer ethnischen Herkunft und Nationalität
- 11 Prozent aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Identität
Die Konsequenz daraus ist die Forderung nach einem gesellschaftlichen Wandel. Das hier aber in der Wahrnehmung der Gen Z gerade in Politik und Wirtschaft noch Spielraum nach oben ist, zeigt die Umfrage ebenfalls.
Die Gen Z ist divers, genau wie jede andere Generation vor ihr auch. Der Unterschied: Die Gen Z fordert Sichtbarkeit da, wo sie auch wirklich sichtbar gemacht werden kann und soll. Und genau an diesem Punkt kommen Marketing und Werbung ins Spiel.
Diversität beeinflusst die Kaufentscheidung
Rund 66 Prozent der Gen Z würden eher von Marken kaufen, die in ihrer Kommunikation eine Vielfalt an Sexualität, Gender und Herkunft zeigen. Das zeigt unsere eigene Umfrage unter 1.000 Menschen zwischen 16 und 25 Jahren.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Ähnlich wie bei der Frage nach der Markenpositionierung zu gesellschaftspolitischen Themen sehen wir einen Unterschied zwischen Frauen und Männern: Während rund 73 % der Frauen mit “Ja” bzw. “Eher Ja” auf die Frage antworten, sind es bei den Männern rund 58 %.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Die stärkere Forderung von Frauen nach Repräsentation lässt sich auf die stereotypen und passiven Darstellungen von Frauenbildern in Marketinginhalten zurückführen. Wenn in einer Werbung Frauen sowie Männer vertreten sind, ist es nach der Kantar-Studie AdReaction: Getting Gender Right um 38 Prozent wahrscheinlicher, dass Männer eine zentrale Rolle spielen. Frauen hingegen wird laut Studie nur in Ausnahmefällen (6 Prozent) eine autoritäre Rolle zuteil. Sie werden oftmals klischeehaft als fürsorglich oder sympathisch dargestellt.
Mehr Diversität im Marketing hat direkte Auswirkungen auf die (Selbst-)Wahrnehmung von Menschen – in diesem Fall Frauen. Das sehen wir auch an den Aussagen der Gen Zlerinnenin unserer Studie:
“Als Frau freue ich mich tierisch, wenn Content Frauen zeigt, die nicht in veraltete Rollenbilder passen – eben weil ich mich in solchen Stereotypen auch nicht wiederfinde.”
Kommentar aus unserer eigenen Erhebung; Alter: 25
“Ich hab keine Lust nur normschöne weiße Cis-Menschen zu sehen. Das bin ich nicht und ich kriege den Eindruck, dass das Produkt dann nicht für mich gedacht ist.”
Kommentar aus unserer eigenen Erhebung; Alter: 23
Was bedeutet Diversität in der Markenkommunikation?
Haltung zeigen ist hip! Purpose-driven-Marketing lautet das Gebot der Stunde – aber bitte authentisch! Denn auf der grünen Wiese grasen auch schwarze Schafe. Mit Purpose-Claims, populären Versprechungen und ja, bereits mit grüner Farbe oder Regenbogenfahne inszenieren Unternehmen eine Haltung, ohne Taten folgen zu lassen.
„Green Washing“, „Woke Washing“ und „Queerbaiting“ sind Trittbrettfahrer ernstgemeinter Ambitionen und untergraben die eigentliche Bedeutung von Diversity Marketing. Sie lassen sich auch unter den Sammelbegriff „Performative Allyship” fassen.
Es ist leicht, eine Verbundenheit zu gesellschaftspolitischen Themen zu kommunizieren. Bleibt es beim reinen Kommunizieren, ist das ganze allerdings nur eine Performance.
“Das größte Problem an performativer Verbundenheit – sowohl im privaten als auch im unternehmerischen Umfeld – ist die Unsicherheit. Betroffene können nicht davon ausgehen, dass sie auch wirklich unterstützt werden, dass die entsprechenden Parteien sich für ihre Bedürfnisse und Probleme einsetzen.”
Pia Krolik im Artikel “Performativer Aktivismus”
Unternehmen, die unter falscher Flagge segeln, erschweren die Kommunikation echter Purpose Brands. Denn die Zielgruppe ist gefordert, mehr Aufwand in die Unterscheidung zwischen performativem und wahrem Aktivismus hinter einem Claim zu stecken.
“Viele Marken kommunizieren und werben mit Nachhaltigkeit (vor allem auf SoMe), sind es aber eigentlich gar nicht (Green-Washing). Die Transparenz ist nicht immer da.”
Kommentar aus unserer eigenen Erhebung; Alter: 23
“Es ist wichtig, divers zu kommunizieren, allerdings darf es nicht zu “krass” sein und mir auffallen, dass die Marke “extra” divers kommunizieren will.”
Kommentar aus unserer eigenen Erhebung; Alter: 23
Bullshit-Detektor warnt die Gen Z vor unseriöser Werbung
Immerhin: Die bereits zitierte Teengeist-Studie zeigt aber auch, dass nur jedem vierten Teen während des Pride Months ein Unternehmen negativ aufgefallen ist. Das sah vor ein paar Jahren noch anders aus. Bleibt nur die Frage: Lernen Unternehmen wirklich dazu oder wird bloß ihre Performance authentischer?
Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte. Allerdings ist die Gen Z durchaus medienkritisch und reflektiert in ihrem Content-Konsum. Gleichzeitig ist sie kompromissloser in ihren gesellschaftspolitischen Forderungen:
“Ich glaube, besonders wichtig zu wissen ist, dass die Generation Z quasi einen eingebauten Bullshit-Detektor hat, wenn es um Werbung geht. Sie erkennt sofort, wenn ein Spot unglaubwürdig ist oder nicht auf Augenhöhe gemacht ist.”
Urs Meier, Head of Client, Project Z im Interview
“Die Gen Z ist viel selbstbewusster in ihrer eigenen Wertehaltung. Anti-Diskriminierung, pro Diversity – die Gen Z wird geradezu ungehalten, wenn das nicht berücksichtigt wird. Die Generation Y war individueller unterwegs, während die Generation Z das Kollektiv fragt: ‘Wer hilft mit, diesen ganzen Kram wieder aufzuräumen?’”
Antje von Dewitz, CEO VAUDE, im Artikel „Marketing mit Haltung“
Unternehmen müssen Haltung zeigen und sich positionieren, um authentisches Diversity Marketing zu betreiben. Das gelingt aber nur dann, wenn sie auch wirklich dahinterstehen. Sonst kann es schnell passieren, dass der Bullshit-Detektor der Gen Z anschlägt und sie als eben jene Trittbrettfahrer entlarvt werden.
Diversität zeigen – nach außen und innen
Wie kommunizieren Marken also ihre ernstgemeinten Ambitionen am besten, um sich von oben genannten Vorwürfen zu distanzieren? Indem sie auf Worte Taten folgen lassen – oder im Idealfall auf bereits erfolgte Taten Worte. Erst dann zeigt sich, wie ernst es Unternehmen wirklich mit Diversity Marketing meinen.
Unsere Ergebnisse zeigen: Die Gen Z hält es am wahrscheinlichsten, dass eine Marke für Diversität einsteht, wenn die Mitarbeiter*innen unterschiedlicher Herkunft und Geschlecht sind und die Marke solche Menschen auch in der Werbung zeigt. Nur 34 Prozent genügt hingegen die Zusammenarbeit mit diversen Influencer*innen.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Wir ziehen daraus die Erkenntnis: Eine kurzlebige Zusammenarbeit mit einem*einer Influencer*in überzeugt die Gen Z deutlich weniger, als wenn Marken auch bei der eigenen Belegschaft und Werbung Wert auf Diversität legen.
“Es wird dann authentisch, wenn das Unternehmen eine Haltung hat, die kongruent ist mit der Botschaft, die es vermitteln will.”
Türkân Deniz-Roggenbuck, Kulturton
Dies deckt sich auch mit der Empfehlung der bereits zitierten Kantar-Studie, etwa das Thema Gleichberechtigung organisationsweit umzusetzen. Unternehmen sammeln damit übrigens nicht nur Pluspunkte bei Konsument*innen, sondern auch bei potenziellen Arbeitnehmer*innen aus der Gen Z.
Eine Monster-Umfrage zeigt, dass 83 Prozent der Bewerber*innen aus dieser Generation das Firmen-Engagement für Diversität und Inklusion als wichtig bei der Arbeitgeber-Wahl empfinden.
Noch nicht überzeugt? Die Studie Diversity Wins von McKinsey belegt außerdem den Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg.
Marken haben ihre Versprechen selbst einzulösen und können sich nicht auf der Arbeit des Marketing-Teams ausruhen. Damit wird klar: It’s a movement, not a moment!
Wie wichtig ist Gendern der Gen Z?
Beim Thema Gendern gehen die Meinungen von Frauen und Männer stark auseinander. Bei der Frage, ob die Teilnehmenden unserer Erhebung eher von Marken kaufen würden, die gendergerechte Sprache nutzen, antworten rund 46 Prozent der Frauen mit „Ja”. Bei den Männern sind es nur 25 Prozent.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Überraschend? Nein. Mit dem weitverbreiteten generischen Maskulinum werden Männer schließlich so oder so angesprochen.
Allerdings: Auch wenn ihnen Diversität in der Markenkommunikation wichtig ist, legen nicht alle Frauen hohen Wert darauf, selbst mitgenannt zu werden: 43 Prozent der Teilnehmerinnen ist es egal, ob sie als „liebe Kundin” oder als „lieber Kunde” angesprochen werden.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Ist der Gen Z Gendern also gar nicht so wichtig? Doch! Ein interessanter Trend lässt sich innerhalb der Altersgruppen erkennen: Wollen von den Frauen im Alter von 24 bis 25 Jahren nur 39 % als “Kundinnen” adressiert werden, wünschen sich das schon 56 % der 16- und 17-Jährigen.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Möglicherweise haben sich ältere Vertreter*innen der Gen Z im Gegensatz zu jüngeren bereits an das generische Maskulinum gewöhnt.
“Gerade bei jüngeren Menschen ist die Chance am größten, dass sie außerhalb des Mainstreams, außerhalb des bisherigen Systems aufwachsen.”
Antje von Dewitz, CEO VAUDE
So oder so: Marken sollten auf alle Geschlechter Rücksicht nehmen, heute und in Zukunft!
Tipp: Unser Gender-Leitfaden gibt eine Starthilfe für gendergerechte Sprache im Marketing.
Doch mit welchem Genderzeichen gelingt das? Wir haben die Gen Z gefragt und hier fällt eine Genderart besonders auf: Das Gendersternchen liegt mit 34 % weit vor allen anderen Möglichkeiten einer gerechten Ansprache.
(Quelle: Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z”)
Rund 34 % der Befragten sind allerdings auch unsicher, welche Genderart sie bevorzugen. Das liegt vermutlich nicht zuletzt daran, dass es beim Thema Gendern offiziell noch keinen Konsens gibt. Mehr dazu erfährst du in Sigi Liebs Gastbeitrag zu Genderzeichen.
Diversity Marketing: Heute wichtig, morgen entscheidend!
Bei wem Diversität noch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht, sollte das dringend überdenken! Denn unsere Umfrage und Gespräche mit der Gen Z haben gezeigt, dass das Thema vor allem für die nächsten Konsument*innen entscheidend wird.
Unsere Key-Learnings als Takeaway:
- Gen Z kauft eher von Marken, die für Diversität einstehen
- Worte alleine reichen nicht aus – die Gen Z will Taten sehen
- Diverse Mitarbeiter*innen überzeugen mehr, als Kooperationen mit diversen Influencer*innen
- Gendern und die richtige Ansprache wird der Gen Z immer wichtiger