Purpose, Haltung, Authentizität – gerade junge Konsument*innen fordern von Unternehmen ein Wertesystem ein, mit dem sie sich selbst identifizieren können. Doch wie füllen Marken diese Begriffe mit Wahrhaftigkeit?
Im Rahmen unserer Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z” haben wir dazu mit Antje von Dewitz, Geschäftsführerin der Outdoor-Marke VAUDE, gesprochen.
Sie erklärt, wie es ihrem Unternehmen gelungen ist, gesellschaftspolitische Haltungen glaubwürdig von innen heraus zu entwickeln – und so gleichzeitig die Generation Z zu bewegen.
Interview mit Antje von Dewitz, CEO von VAUDE
Unsere Studie zeigt, dass gerade jüngere Konsument*innen immer öfter eine Haltung zu gesellschaftspolitischen Themen von Unternehmen einfordern. Nimmst du das aus VAUDE-Sicht auch so wahr?
Ja, aber wir kommen aus einer ganz anderen Ecke. Zunächst muss man sagen, dass die Generation Z für uns in den letzten Jahren gar nicht die klassische Zielgruppe war.
Was aber schon lange existiert ist unsere Haltung: Wir sehen uns als Teil eines Problems. Das nehmen wir an, denn wir sind in einer hochproblematischen Industrie unterwegs. Wir möchten Teil der Lösung sein. Wir sehen es als unsere unternehmerische Verantwortung, Lösungen zu schaffen, zum Beispiel durch klimafreundliche Produkte.
VAUDE ist schon seit Jahren dabei, aktiv Haltung zu politischen Themen zu beziehen, um mitzuwirken, dass sich unser System verändert und Politik und Wirtschaft stärker Verantwortung übernehmen. Wir haben das Thema Haltung im Marketing aufgenommen, bevor es zum Purpose-Trend wurde, aus einer intrinsischen Motivation heraus.
Und jetzt stellen wir fest, dass wir für die Generation Z total attraktiv geworden sind. Wir sehen anhand der Suchanfragen, dass das in den letzten drei Jahren enorm zugenommen hat. Dass wir eine Relevanz gewonnen haben und auch immer mehr Anfragen von Hochschulen, Schulen, Schülern bekommen, die sich unter anderem für Interviews und Podiumsdiskussionen von uns interessieren.
Wir kommen sozusagen von der anderen Seite an das gleiche Thema. Nun richten wir auch Produkte und Kommunikation proaktiver auf die Generation Z aus, weil wir sehen, dass wir bei ihnen über unsere Markenpositionierung bereits auf großes Interesse stoßen.
Du sagst, bei euch entstand das aus einer intrinsischen Motivation. Einige Unternehmen springen aber auch jetzt erst auf den Zug auf und da kommt dann schnell der Verdacht von “Green Washing” auf. Wie siehst du diese Entwicklung?
Es ist für mich eine ziemlich schräge Diskussion. Wenn es um Purpose geht, dann geht es aus meiner Sicht darum, was du im Kern für die Gesellschaft Gutes tun solltest. Wenn das nicht aus dem Intrinsischen kommt, kann dir das nicht das Marketing diktieren. Da ist nicht nur die Gefahr von Green Washing – viel wichtiger finde ich: Das bringt dann halt nichts!
In Pias Artikel erfährst du mehr über Performativen Aktivismus
Es zeigt überhaupt keine Wirkung, weil es dann nicht echt/authentisch ist. Was ich richtig gut finde: Die Suche nach dem Purpose ist mittlerweile allgegenwärtig. Wir bekommen einmal pro Woche Anfragen über die VAUDE Academy von Unternehmen und Hochschulen zum Thema Purpose. Generell hat man das Gefühl, alle Unternehmen sind auf der Suche nach dem Purpose.
Und gleichzeitig verbünden sich 23 Wirtschaftsverbände in Deutschland, um gegen das Lieferkettengesetz zu wettern. Um nicht ihre Verantwortung für Menschenrechte in der Lieferkette anzunehmen. Das geht so quer aneinander vorbei.
Und dabei ist es genau das, was gesucht wird: dass gemäß des gesunden Menschenverstands Unternehmen Verantwortung übernehmen; dass sie ihren Teil dazu beitragen, dass wir die Probleme des Planeten alle miteinander in den Griff kriegen.
Und wenn du das nur ins Marketing delegierst, den Purpose zu suchen, während es offensichtlich ist, dass es im ganzen Unternehmen verankert werden muss, dann ist es Zeitverschwendung.
Nichts setzt mehr Energie frei, als wenn du wirklich Glaubwürdigkeit nach innen sowie nach außen lebst. Und die gewinnst du eben nicht, wenn das nur so ein Mäntelchen ist.
Wie schaffen es Unternehmen, diese Glaubwürdigkeit nach innen und nach außen herzustellen?
Die Grundhaltung ist meiner Meinung nach der Kern: anzuerkennen, dass du Teil eines Problems bist. Die deutsche Industrie ist darauf getrimmt, sich wegzuducken. Sie ist darauf getrimmt zu sagen: können wir nicht, haben wir nicht, sind wir nicht, macht uns den Weg frei; entbürokratisiert möglichst viel, weil wir wachsen müssen. Das ist so eindimensional verengt, dass dieser Blick nach Verantwortung und Purpose sich gar nicht öffnen kann.
Aus einem gesunden Menschenverstand heraus wird erwartet, dass ich als Unternehmen antrete und sage: Ich übernehme Verantwortung für den Schaden, den ich anrichte. Ich möchte einen minimalen Fußabdruck hinterlassen, ich möchte maximale Lebensqualität stiften. Was muss ich dafür tun?
Wenn du Themen, Lösungen und Fragen mit dieser Wertehaltung erarbeitest, ergibt sich eins nach dem anderen. Aber im Kern steht der 360-Grad-Blick: Für welche Themen muss ich Verantwortung tragen? Was sind die ethischen Themen, mit denen ich mich auseinandersetzen muss? Wie lerne ich es, Lösungen zu finden?
Die deutsche Industrie ist darauf getrimmt, sich wegzuducken. Sie ist darauf getrimmt zu sagen: können wir nicht, haben wir nicht, sind wir nicht, macht uns den Weg frei; entbürokratisiert möglichst viel, weil wir wachsen müssen.
Antje von Dewitz, CEO von VAUDE
Du musst raus aus dem Schwarz-Weiß-Denken und rein in ein Ringen um die beste Grauschattierung, das heißt um die beste Lösung. Das erfordert eine klare Wertehaltung, die du einmal festschreiben musst und die du dann dadurch, dass du dich mit den Themen auseinandersetzt, auch täglich lebst.
Durch das tägliche Doing geht die Wertehaltung in die Kultur, die Kommunikation und die Sprache über.
Und zusätzlich dazu haben wir uns bei VAUDE die wichtigsten Themen herausgenommen und diese Haltung in Gremien gemeinsam niedergeschrieben, sodass sich aus der inhaltlichen Erarbeitung eine Kommunikation entwickelt.
Wir wissen dadurch genau, aus welchen Gründen und welchen eigenen Erfahrungen wir für welche Themen stehen. Und das sind dann die Themen, die wir beispielsweise auch über Social Media nach draußen tragen.
Die Rolle von Marketing hat sich unserer Wahrnehmung nach fundamental verändert, weil – ganz plump gesagt – Marketing bis vor kurzem vor allem bedeutete: Inszenieren; das Produkt, die Dienstleistung in Szene setzen.
Mehr und mehr wird daraus ein Dokumentieren und (kreatives) Missionieren der eigenen Unternehmenswerte. Würdest du dem zustimmen?
Ich erzähle dazu einmal kurz unsere Historie. Die letzten zehn Jahre hatten wir nur wenig Geld für Marketing. Das liegt einfach daran, dass unser konsequent nachhaltiger Weg kostspielig und aufwändig ist.
Das kommt unter anderem durch die generelle Umstellung auf nachhaltige Materialien und Lieferketten. Das heißt: Marketing muss eingespart werden. Deswegen war unser Fokus im Marketing schon immer ganz stark die eigene Kommunikation.
Wir wollten nicht in Schönheit sterben, sondern vermitteln, was wir hier machen. Angesichts der großen Schwierigkeiten in unserem Wirtschaftssystem nachhaltig zu agieren, wollten wir auch mithelfen, dort Veränderung voranzutreiben. So haben wir unseren Schwerpunkt auf die Herausforderungen unseres nachhaltigen Wegs gelegt und früh begonnen, Haltung zu beziehen.
Das heißt, bei uns ist diese Rolle schon länger eingespielt, auch aus der Notwendigkeit heraus. Damit verbunden sind aber auch einfach gute Stories und es ist spannend, das behind the scenes mitzubekommen und an den Kunden zu spiegeln.
Lustigerweise ist es auch das, wo sich alles hin entwickelt. Und es ist ja auch das, was die Generation Z möchte: Authentizität und Haltung.
Ich sehe das bei meinem Sohn auch immer, der ist ein Generation Z Musterbeispiel. Der will keinen Bullshit hören, sondern es erklärt wissen. Die Generation Z hat ein Authentizitäts-Radar.
Die Gen Z hat einen Authentizitäts-Radar. Sie will keinen Bullshit hören, sondern Produkte und Dienstleistungen erklärt wissen.
Antje von Dewitz, CEO von VAUDE
Ist diese Marketing-kritische Haltung ein Unterschied zwischen Generation Y und Generation Z?
Definitiv. Die Gen Z ist viel selbstbewusster in ihrer eigenen Wertehaltung. Anti-Diskriminierung, pro Diversity – die Gen Z wird geradezu ungehalten, wenn das nicht berücksichtigt wird. Die Generation Y war individueller unterwegs, während die Generation Z das Kollektiv fragt: Wer hilft mit, diesen ganzen Kram wieder aufzuräumen, den ihr uns hier hinterlasst?
Das klingt so, als hätte die Gen Z eine richtige Wut im Bauch.
Ja, und auch berechtigt. Die wollen wissen: Wo sind die, die mithelfen? Und bist du dabei oder bist du nicht dabei? Das ist das, was ich von meinem Sohn mitbekomme und das deckt sich auch mit allem, was ich über die Generation Z lese.
Du hast im letzten Jahr das Buch “Mut steht uns gut!” geschrieben, um die VAUDE-Philosophie, euren gemeinwohlorientierten Ansatz, zu transportieren und bekannter zu machen.
Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, dass Führungskräfte zum Leitstern avancieren, an die Öffentlichkeit gehen, Haltung zeigen und – wenn man so will – Teil des Marketings werden?
Ich finde das superwichtig. Das ist ja auch die Chance des Mittelstands und der familiengeführten Unternehmen. Damit kann man nach vorn rücken und zeigen: Wir stehen tatsächlich mit Personen dafür.
Danke dir für das Gespräch, es hat mich gefreut.
Ja, danke auch. Bis bald!
FAZIT
Am Beispiel VAUDE zeigt sich: erst der Purpose, dann das Marketing. Unternehmen, die ihre Werte von innen heraus entwickeln und nach ihnen handeln, schaffen die Grundlage für ein glaubwürdiges Marketing.
VAUDE gelingt das unter anderem über:
- Unternehmensweit verankertes Werteset
- Führungsebene mit Vorbildfunktion
- Nachhaltige Materialien in der Produktion
- diverse (politische) Initiativen zur aktiven Umsetzung der eigenen Haltung
In unserer Studie “OK Zoomer – Marketing für die Gen Z” beschäftigen wir uns damit, wie die Gen Z tickt, wo du sie findest und wie du am besten mit ihr kommunizierst. Schau doch mal rein: