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Diskriminierung von Menschen mit Behinderung: Wie wir die Marketing-Welt inklusiver gestalten können

Kommunikation kann diskriminieren und ausgrenzen – sowohl auf technischer als auch auf inhaltlicher Ebene. Das erleben Menschen mit Behinderung auch im digitalen Raum tagtäglich. Weil Marketer*innen diesen digitalen Raum mitgestalten, können sie aktiv zu einem inklusiven, antidiskriminierenden und barrierefreien Internet beitragen. Wie inklusiv und barrierefrei die Markenkommunikation aktuell ist und was noch passieren muss, erfährst du in diesem Artikel.

Diskriminierung, Sprache und die Macht der Marketer*innen

„Ich hatte schon lange nicht mehr so einen schlechten Tag – der war richtig behindert!“ – Wenn der*die Mitbewohner*in so eine unüberlegte, diskriminierende Aussage raushaut, liegt es an uns, ihm*ihr die Respektlosigkeit dieses Satzes aufzuzeigen. Menschen mit Behinderungen müssen sich tagtäglich mit unzähligen Ausprägungen der Diskriminierung rumschlagen. 

Eine bedeutende Form der Diskriminierung ist die Sprache: Wenn wir nicht inklusiv kommunizieren, werden Menschen mit Behinderungen strukturell ausgeschlossen und diskriminiert. Sei es das tägliche Quatschen beim gemeinsamen Mittagessen mit Kolleg*innen, das anstehende Vorstellungsgespräch oder der Instagram-Post des eigenen Unternehmens – wir müssen es schaffen, dass unsere Kommunikation das Einschließen von Menschen mit Behinderungen als selbstverständlich ansieht. Heißt im Detail, dass wir als Marketer*innen unsere digitale Kommunikation technisch und inhaltlich barrierefrei gestalten – dadurch werden Menschen mit Behinderungen aktiv in den Diskurs miteingeschlossen.

Braille Lego Steine

Lego legt den Grundstein für mehr Inklusion: Die Braille Bricks bringen Kindern spielerisch Blindenschrift näher. (Quelle: The Lego Foundation)

Im Disney-Shop gibt es für Kinder, die im Rollstuhl sitzen, Bezüge im Stil bekannter Filme und Charaktere. (Quelle: shopDisney)

Ist Diskriminierung heutzutage eigentlich noch aktuell?

Und warum sind ausgerechnet Menschen mit Behinderungen so oft von Diskriminierung betroffen?

Diskriminierung, ob strukturell oder als vermeintlicher Einzelfall auftretend, ist auch im Jahr 2020 noch mehr als präsent: Menschen, die nicht weiß sind, einer anderen Religion als dem Christentum angehören oder mit einer Behinderung leben müssen, werden in unserer Gesellschaft häufig diskriminiert. 

Und damit sind nicht nur direkte Beleidigungen gemeint. Menschen mit Behinderungen müssen sich täglich Situationen stellen, in denen sie die Diskriminierung, derer sie ausgesetzt sind, auch noch verständlich erklären müssen: Nein, es ist nicht aufmerksam von dir, dass du mich als sehbehinderten Menschen ungefragt über die Straße führst, das ist diskriminierend. Nein, ich möchte nicht, dass du mich urplötzlich und ohne meine ausdrückliche Bitte mit meinem Rollstuhl durch den Raum schiebst.

Auch Mitleid oder vermeintliche Bewunderung, dass Menschen mit Behinderungen ihren Alltag so toll meistern, sind diskriminierend. Solche Aussagen reduzieren den Menschen auf seine Behinderung und lassen nichts anderes mehr von ihm übrig.

Sichtbare vs. unsichtbare Behinderungen: Wo liegen die Unterschiede?

Im Alltag ist es nicht immer eindeutig erkennbar, ob eine Person eine Behinderung hat oder nicht – man spricht hier von sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen: Der Mann im Rollstuhl hat dementsprechend eine sichtbare Behinderung, die gehörlose Frau eine unsichtbare. Beide müssen sich bereits im analogen Alltag mit jeglichen Formen der Diskriminierung rumschlagen. In der digitalen Welt wird zunächst nicht zwischen sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen differenziert – daher kommt es an dieser Stelle zu weiteren, problematischen Diskriminierungen gegen Menschen mit Behinderungen. 

Menschen, die den virtuellen Raum gestalten und für Konsument*innen zur Verfügung stellen, können nicht erkennen, ob eine Person in ihren motorischen oder kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt ist. Umso wichtiger ist es daher, dass im Vorhinein alle denkbaren Barrieren und Einschränkungen beseitigt werden – für einen inklusiven und antidiskriminierenden digitalen Raum. 

Auch auf gesetzlicher Ebene wird darauf geachtet, dass Menschen mit Behinderungen unter anderem bei der Nutzung des Internets nicht benachteiligt oder sogar vergessen werden.

Wie sieht die Gesetzeslage für Unternehmen gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung aus?

Damit unter anderem antidiskriminierende Kommunikation und Sprache auch im Alltag und nicht nur in der Theorie umgesetzt und gelebt werden kann, wurde am 14. August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, auch AGG genannt, erlassen. Das AGG soll verhindern, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer ethnischen Herkunft, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität diskriminiert und benachteiligt werden. Auch Menschen mit Behinderungen sollen mit diesem Gesetz vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt werden

Das AGG nimmt dementsprechend auch uns Marketer*innen in die Pflicht, den Kampf gegen Diskriminierung noch aktiver und progressiver anzugehen. In der alltäglichen Umsetzung bedeutet das für uns, unsere digitalen Magazinbeiträge und unseren Internetauftritt barrierefrei zu gestalten. Auch die aktive Repräsentation von Menschen mit Behinderungen hinsichtlich Werbemittel etc. kann eine entsprechende Maßnahme darstellen.     

Was hat das Internet mit Inklusion zu tun?

Menschen mit Behinderungen verwenden das Internet nachweislich öfter als Menschen ohne Behinderungen: An ganzen 6,5 Tagen in der Woche nutzen Menschen mit Behinderungen das Internet. Die Nutzungszeit von Personen ohne Behinderungen teilt sich auf 5,1 Tage in der Woche auf.

Dieser signifikante Unterschied besteht unter anderem aus dem Grund, dass Menschen mit Behinderungen benötigte Informationen leichter und schneller aus der Internetnutzung ziehen können als aus dem alltäglichen Umgang mit ihren Mitmenschen. 

Das Internet verhilft Menschen mit Behinderungen an dieser Stelle zu mehr Selbstständigkeit und auch Selbstbewusstsein. Ein Beispiel: Gehörlose Menschen können mithilfe der Internetnutzung leichter in die Kommunikation mit anderen Menschen treten, weil sie etwa Videos, in denen Gebärdensprache praktiziert wird, als Kontaktmittel einsetzen können.

Gerade weil die digitale Kommunikation für Menschen mit Behinderung so unglaublich wichtig ist, muss die Marketing-Welt den sprachbezogenen Fokus auch weiterhin auf eine barrierefreie, technische Entwicklung legen.

Diskriminierung im Marketing: Was können wir tun?

Bevor sich die Marketingbranche die Frage stellen kann, was in Sachen Diskriminierung gegen Menschen mit Behinderungen noch weiter unternommen werden kann, müssen wir uns als Marketer*innen zunächst eingestehen, was vielleicht an vielen Stellen noch nicht ganz ideal läuft: 

Die technische Seite

Es muss definitiv noch eine ganze Menge Arbeit in den Bereich der barrierefreien Sprache geleistet werden. Unabhängig von der Behinderung eines Menschen ist es mehr als wichtig, die gängige Kommunikation im Internet barrierefrei darzustellen und für jeden Menschen konsumierbar zu machen. Das kann umgesetzt werden, indem man beispielsweise eine einfache, verständliche Sprache verwendet und eine Vorlesefunktion in seine Inhalte integriert. Für den Screenreader sollte eine genderneutrale Sprach- und Vorlesefunktion eingefügt werden, und auch Emojis können so unterstützend eingesetzt werden.

Als ein besonders positives Beispiel können hier die Kolleg*innen von Headspace genannt werden: Auf der Website findet ihr die Visualisierung eines*einer Rollstuhlfahrer*in, versehen mit dem Button ”Explore your accessibility options”. Diese Optionen umfassen zum Beispiel einen Text Reader, Voice Commands, Blinks Blocking und ein Screen Reader Angebot. Der*die Konsument*in kann sich auch die dargestellten Texte und Inhalte der Website in bestimmten Farben anzeigen lassen – diese Option ist besonders für sehbehinderte Menschen hilfreich. Auch die Funktion, an bestimmte Text- oder Bildausschnitte ranzoomen zu können, unterstützt Menschen mit Behinderungen aktiv beim Nutzen der Website.  

Die inhaltliche Seite

Aber nicht nur bei der Nutzung von Internetinhalten werden Menschen mit Behinderungen noch häufig diskriminiert – auch in der inhaltlichen Repräsentation werden Menschen mit einer Behinderung oft übergangen und somit ausgegrenzt. An dieser Stelle fehlt es häiufig an einer differenzierten Darstellung von Menschen mit Behinderungen – heißt, dass viel öfter beispielsweise ein geh- oder sehbehinderter Mensch in der medialen Öffentlichkeit stehen sollte, und zwar unabhängig von der Behinderung. Durch die aktive und vermehrte Repräsentation von Menschen mit Behinderungen wird eine Darstellung ermöglicht, die nicht die Unterschiede der verschiedenen Menschen unserer Gesellschaft unterstreicht, sondern die Gemeinsamkeiten. 

Die Macher*innen von Webex gehen hier mit einem vorbildlichen Beispiel voran: Bei dem Besuch ihrer Website ist eine Frau im Rollstuhl zu sehen – dabei steht nicht ihrer Behinderung im inhaltlichen Fokus, sondern die Ziele des Unternehmens. Diese inklusive, antidiskriminierende Darstellung bildet Menschen mit Behinderungen als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft ab – unabhängig von einer Behinderung.

Wir ziehen unseren imaginären, barrierefrei dargestellten Hut vor dieser antidiskriminierenden Arbeit!

Das sind erste Schritte für mehr Barrierefreiheit im Marketing

Um die digitale Barrierefreiheit im Marketing weiter zu festigen und auszubauen, ist es wichtig, sich ständig weiterzubilden und neue, barrierefreie Tools zu entdecken. An die folgenden Adressen kannst du dich wenden, um virtuell auf dem neusten, barrierefreien Stand zu sein:

  • Das World Wide Web Consortium zeigt dir, an welche Richtlinien für barrierefreie Webinhalte du dich halten solltest. Mitherausgeber ist unter anderem die University of Wisconsin-Madison.
  • Aktion Menschen hat eine Plattform geschaffen, die dir erklärt, wie du beispielsweise barrierefreie PDF-Dokumente erstellen kannst. Aber auch die Konzeption und Gestaltung barrierefreier Websites wird thematisiert.
  • Die Bundeszentrale für politische Bildung gibt einen aufschlussreichen Ausblick darauf, was wir als Marketer*innen bei der Erstellung einer barrierefreien Website beachten sollten.

Wie du auch auf deinen Social-Media-Kanälen inklusiver kommunizierst und die Zusammenarbeit mit Influencer*innen antidiskriminierender gestaltest, zeigen dir folgende Expert*innen:

  • Raul Krauthausen ist Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit. Auf seinem Instagram Kanal zeigt er als Mensch mit Behinderung regelmäßig auf, was in unserer Gesellschaft diesbezüglich noch geleistet werden muss.
  • Die kleinwüchsige Autorin, Moderatorin und Podcasterin Ninia Binias wirkt unter anderem bei dem Podcast „All Inclusive“ für Aktion Mensch mit. Außerdem setzt sich Ninia auf ihrem Instagram Account dafür ein, Menschen mit Behinderungen als vollwertige Mitgleider unserer Gesellschaft anzusehen und diese auch so zu behandeln. 

Wir als Marketer*innen lernen stets dazu, um den Kampf gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen noch aktiver anzugehen und uns klar zu positionieren.

Wir denken, dass es neben einer antidiskriminierenden Unternehmenskommunikation im Internet mindestens genauso wichtig ist, Menschen mit Behinderungen auch im alltäglichen Kontext mit dem Verwenden inklusiver und antidiskriminierende Sprache zu unterstützen – auf jeden Fall fragen wir zunächst, ob wir dem Menschen, den wir für sehbehindert halten, über die Straße helfen dürfen oder nicht.

Quellen

https://www.aktion-mensch.de/dam/sc9/barrierefreiheit/dokumente/trendstudie-digitale-teilhabe/AktionMensch_Studie-Digitale-Teilhabe.pdf

https://www.tagesschau.de/inland/diskriminierung-125.html

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/Service/LeichteSprache/LS_Tipps/tipps_fuer_unternehmer_node.html

https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/AGG/agg_gleichbehandlungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile

Sarah Maroulis
Sarah ist als Werkstudentin mit dem Schwerpunkt Content Creation bei House of Yas unterwegs. Ihr Aufgabengebiet umfasst unter anderem das Texten und Geschichten erzählen. Nebenbei studiert sie Literaturvermittlung in den Medien im Master.
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