Großzügige Office-Spaces, massig Cappuccino und smarte digitale Lösungen – so stellen sich vermutlich viele Menschen „New Work“ vor. Was klingt wie der ultimative Yuppie-Traum ist in Wahrheit aber viel mehr. Denn hinter dem Buzzword verbirgt sich vor allem eine progressive und geradezu radikale Idee: Arbeit kann Spaß machen. Arbeit kann Sinn stiften. Und der technologische Fortschritt schafft dafür die Bedingungen.
In diesem Artikel wollen wir einen kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte von New Work geben, uns das Konzept im Wandel der Zeiten genauer anschauen, die Profiteure identifizieren und zu guter Letzt untersuchen, wie die Umsetzung in unterschiedlichen Unternehmen gelingt. Let‘s go!
Inhaltsverzeichnis
Mehr als ein Buzzword: Was ist New Work und warum brauchen wir sie?
Fangen wir von vorne an: Auch wenn der Begriff „New Work“ wirkt, als habe ihn erst gestern ein hipper Marketer aus dem Hut gezaubert, ist das Konzept schon wesentlich älter. In den 1980er Jahren nämlich wurde die „Neue Arbeit“ von Frithjof Bergmann als Gegenentwurf zu herkömmlichen, kapitalistischen Arbeitsmodellen erfunden.
In diesem Podcast sprechen die beiden Unternehmer Michael Trautmann und Christoph Magnussen mit Frithjof Bergmann über seine Vision der Arbeitswelt.
Bergmann ahnte bereits damals das Ende der Lohnarbeit, so wie wir sie kennen, voraus. Auf dieser Basis entwickelte er ein alternatives Arbeitskonzept, was sich vor allem an Freiheit, Selbstbestimmung, persönlicher Zufriedenheit und Gemeinschaft orientierte.
Als Treiber und Befähiger dieses Wandels sah er dabei die Technik: Durch die zunehmende Automatisierung in allen Bereichen der Wirtschaft würden nicht nur Jobs wegfallen; nein, die sukzessive verschwindende Lohnarbeit würde auch eine Lücke entstehen lassen, die die Menschen mit sinnstiftenden Tätigkeiten füllen könnten.
In den knapp 40 Jahren ihres Bestehens wurde „New Work“ als Konzept natürlich vielfach weiterentwickelt, hat neue Impulse erhalten und sieht in der Umsetzung mal so und mal so aus. Zwar ist kein Zustand eingetreten, indem das bedingungslose Grundeinkommen uns erlaubt, 24/7 nur unseren Herzensprojekten nachzugehen. Dennoch haben Bergmanns progressive Ideen es geschafft, sich breitflächig in der Arbeitswelt auszusäen.
Heute wird die „Neue Arbeit“ in vielen Unternehmen vor allem pragmatisch angegangen. Es sollen Potenziale genutzt werden, die die zunehmende Digitalisierung eröffnet: flexible Arbeitsmodelle werden etabliert, die nicht nur angenehmer für die Angestellten sind, sondern die Arbeitsprozesse auch effizienter gestalten. Digitale Möglichkeiten sollen darüber hinaus dabei helfen, Mitarbeiter*innen Routineaufgaben abzunehmen, sodass sie sich Wichtigerem und Nachhaltigerem widmen können.
Die Quintessenz von New Work ist also gleichgeblieben: tradierte Arbeitsabläufe werden in Frage gestellt und sukzessive verbessert. Das hat nicht nur Vorteile für Arbeitnehmer*innen, sondern auch Unternehmen profitieren von dem Modell. Denn allein, um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen diese zunehmend auf Automatisierung von Routine-Aufgaben setzen.
New Work: Konzept und Vorteile für Unternehmen
New Work ist da, wo Technologie und Mentalität sich treffen, um gemeinsam neue und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Und diese besseren Bedingungen kommen nicht nur den Arbeitnehmer*innen gelegen, auch Arbeitgeber*innen beziehungsweise Unternehmen profitieren von der Konstellation. Eigentlich ist es ganz einleuchtend: Denn Teammitglieder sind ganz automatisch leistungsbereiter und glücklicher, wenn die äußeren Bedingungen ihrer Arbeitssituation stimmen.
Für Unternehmen, die darauf bislang keinen Fokus gelegt haben, wird es spätestens jetzt Zeit, umzudenken. Denn unzufriedene Mitarbeiter*innen wechseln gerne mal den Arbeitgeber, was schnell zu Lasten des Unternehmens gehen kann: Wie aus der DIHK-Konjukturumfrage vom Herbst 2019 hervorgeht, sehen 50 Prozent der befragten Unternehmen als größte Bedrohung für ihre Geschäftsentwicklung einen drohenden Fachkräftemangel.
Wir stellen also fest: Auch, was das wirtschaftliche Wachstum eines Unternehmens angeht, erfüllt New Work eine doppelte Funktion. Durch die besseren Arbeitsbedingungen werden zum einen Fachkräfte gehalten und neue Talente angezogen und zum anderen ermöglicht sie es Unternehmen, mit der Digitalisierung Schritt zu halten und konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Zeit ist reif: So sehen Arbeitnehmer*innen New Work
Eine überwältigende Mehrheit der Arbeitnehmer*innen ist dem Arbeitsmodell „New Work“ gegenüber positiv eingestellt: 92 Prozent der befragten berufstätigen Erwachsenen einer bitkom-Umfrage gaben an, dass sie New Work „eher aufgeschlossen“ bis „sehr aufgeschlossen“ gegenüberstehen:
(Quelle: Screenshot aus einer bitkom Umfrage)
Schauen wir uns zunächst die technische Seite von New Work an: Befragt nach digitalen Technologien bei der Arbeit stimmten zudem 78 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass diese für ihre Arbeit unerlässlich sind. Und mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer*innen geben sogar an, dass digitale Technologien sie bei der Arbeit motivieren. Unternehmen können daraus nur einen Schluss ziehen: Die Angestellten sind reif für technische Innovationen!
Auch bei weiteren New-Work-Themen wie flexiblen Arbeitszeiten und einem frei wählbaren Arbeitsort sind sich gerade junge Leute einig. Wie aus dem Trend-Report „Flexwork in Deutschland“ der Trendence Institut GmbH hervorgeht, streben die Young Professionals in Deutschland vor allem eine bessere Work-Life-Balance an. Innerhalb der Gen Y und der Gen Z gibt es einen Paradigmenwechsel: Der Job soll sich den eigenen Lebensumständen anpassen und nicht umgekehrt.
Und noch ein Faktor kam 2020 plötzlich ins Spiel und begünstigt seitdem die Entwicklung: Die Covid-19-Pandemie. Lockdowns und Kontaktbeschränkungen haben die New Work-Bewegung vor allem auch arbeitnehmerseitig noch weiter vorangetrieben. So liegt seit Oktober 2020 in Deutschland ein Gesetzesentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil vor, der ein gesetzlich verankertes Recht auf Homeoffice zum Inhalt hat.
Wie New Work die Arbeitswelt von heute und morgen prägt
Laut einer aktuellen Telekom-Studie geht der Trend zu digitalen Arbeitsplattformen, auf denen kollaborativ gearbeitet werden kann. Mehrere Mitarbeiter*innen können so etwa gleichzeitig Dokumente anfertigen oder Ideen an virtuellen Whiteboards sammeln und sich in Echtzeit austauschen. Möglich machen das vor allem auch Cloud-Systeme.
Doch deren Verbreitung lässt noch zu wünschen übrig: Wie ebenfalls aus der Telekom-Studie hervorgeht, verfügen aktuell erst 13 Prozent der befragten Büro-Arbeiter über solche technischen Möglichkeiten. Höchste Zeit also für Unternehmen, tätig zu werden!
Doch nicht nur auf der Technik-Ebene muss gehandelt werden. New Work betrifft Unternehmensstrukturen, Arbeitsabläufe und vor allem auch die Geisteshaltung. Das New-Work-Konzept kann nicht implementiert werden, wenn nicht auch die Unternehmenskultur einen Ruck hin zu den verknüpften Werten macht.
Mehr Freiheit, mehr Eigenverantwortung, andererseits aber auch Verantwortung füreinander im Zuge flacher Hierarchien und demokratischer Prozesse sind hier gefragt. Weniger Kontrolle eröffnet dabei mehr Möglichkeiten: Die neue Arbeitskultur braucht Raum, um sich frei entfalten zu können.
Diese neue Mentalität der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung kann sich auch ganz konkret in Weiterbildungsangeboten ausdrücken. Unternehmen sollten nämlich nicht nur Technik und Tools für die Mitarbeiter bereitstellen, die ihnen ein selbstorganisiertes Arbeiten ermöglichen, sondern auch Lernangebote machen.
Das kann beispielsweise in Form einer eigenen Lernplattform oder Academy stattfinden, wo Kurse zu verschiedenen Themen und für unterschiedliche Wissensstände eingerichtet werden, sodass für (fast) jedes Karrierelevel neue Informationen bereitstehen.
Mitarbeiter*innen, die sich weiterentwickeln möchten, können so unter den Fittichen des eigenen Arbeitgebers neue Bereiche für sich erschließen und interessengeleitet ihre Kompetenzen ausbauen. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten!
Wie sieht die Umsetzung von New Work in verschiedenen Branchen aus?
Wie sich schon gezeigt hat, besteht New Work nicht nur aus einer Komponente, sondern muss in mehreren Bereichen des Unternehmens umgesetzt werden. Dabei sollten
- die offene Unternehmenskultur,
- eine gestiegene Autonomie des Einzelnen und
- die Ausstattung mit digitalen Lösungen
die drei zentralen Säulen bilden.
Welche Unternehmen hier bereits aktiv werden und wie dabei die individuelle Schwerpunktsetzung ist, wollen wir uns nun kurz anschauen.
TeamBank: Flexibilität in allen Bereichen
Wer an Banken denkt, der verbindet sie vielleicht nicht als Erstes mit Werten wie Altruismus und Fairness. Das zeigt auch eine Google-Suche. Bei der Eingabe „Banken sind“ spuckt die automatische Vervollständigung so einige harte Urteile aus: „Banken sind gefährlicher als stehende Armeen“, „Banken sind Verbrecher“ und „Banken sind Banane“. Die TeamBank versucht, dem eine werteorientierte Ausrichtung entgegenzustellen.
Das Unternehmen bemüht sich, eine nachhaltige und sozial verantwortliche Unternehmenspolitik nach innen wie nach außen umzusetzen. Im Zuge dessen gibt es für Mitarbeiter*innen unter anderem einen „Code of Conduct“, also einen Verhaltenskodex, der Orientierung für einen fairen und respektvollen Umgang miteinander und auch mit Geschäftspartner*innen und Kund*innen liefert.
Außerdem kann hier jede*r Bankmitarbeiter*in tragen, was er oder sie will – statt im Anzug werden hier auch im Hoodie große Summen hin und her geschoben. Diese Abkehr von strengen Konventionen zeigt sich außerdem in der Sprache, da sich vom Azubi bis hinauf in den Vorstand alle Mitarbeiter*innen duzen. Neben Steharbeitsplätzen und Meetings im eigenen Café können hier auch im unternehmenseigenen Fitnesscenter die nächsten großen Finanzideen entwickelt werden.
Hier geht es gemütlich und ungezwungen zu: Bilder aus der TeamBank-Zentrale in Nürnberg.
(Quelle: TeamBank AG)
Buffer: Transparenz auf allen Ebenen
Social Media Manager*innen und Influencer*innen ist das Social-Media-Tool Buffer garantiert ein Begriff. Das amerikanische Unternehmen punktet aber nicht nur mit seinem Produkt, sondern vor allem auch in Sachen Transparenz. So zeigt Buffer beim Thema Werte eine klare Ausrichtung auf Gleichheit, Teamspirit und Offenheit. Nicht nur heiße Luft, sondern harte Fakten finden sich dazu auf der Website: Dort begegnen uns ein Mini-Manifest, ein Gehaltskalkulator und auch eine grafische Übersicht zu Diversity bei Buffer. Hut ab vor so viel Offenheit!
Buffer Diversity Index (Quelle: Screenshot der Buffer Website)
RAIDBOXES: New Leadership mit Holokratie
RAIDBOXES hat sich klimaschonender IT verschrieben. Das DACH-Unternehmen wirbt mit klimapositivem Managed WordPress Hosting – eine interessante Kombination! Und auch an anderer Stelle zeigt sich der innovative Geist, der durch das Unternehmen weht: So wurde hier schon 2016 ein radikaler Schritt auf höchster Ebene gegangen, indem sich Raidboxes für Holokratie als Managementkonzept entschieden hat. In einer ausführlichen Bestandsaufnahme erzählen die Gründer*innen, was sie dazu bewogen hat, die Macht im Unternehmen großflächig umzuverteilen und wie die Ergebnisse aussehen.
Fazit: New Work kann zur Win-Win-Situation für alle werden.
New Work meint nicht nur technologischen Fortschritt durch digitale Möglichkeiten, sondern sieht diese als Treiber und Befähiger einer neuen, werteorientierten Arbeitskultur. New Work ist für Unternehmen außerdem eine Notwendigkeit, mit den veränderten Ansprüchen und Möglichkeiten eines Zeitalters der Digitalisierung und Individualisierung Schritt halten und sich auf dem Markt behaupten zu können. Damit schafft New Work eine klassische Win-Win-Situation für beide Seiten. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer*innen können nur profitieren.