Wie funktio­niert Wahl­marketing auf Social Media?

Social Media hat die Art und Weise, wie Wahlkämpfe geführt werden, grundlegend verändert. Plattformen wie Facebook, Instagram und besonders TikTok spielen eine zentrale Rolle, um Wähler*innen zu erreichen. Letzteres Netzwerk mausert sich zunehmend zu einem der wichtigsten Werkzeuge in der politischen Kommunikation.

Doch wie genau funktioniert Wahlmarketing auf diesen Plattformen? Ein Blick auf den US-Wahlkampf zeigt, wie stark soziale Netzwerke die politische Kommunikation prägen und beeinflussen.

Ein Paradebeispiel: Der US-Wahlkampf in den sozialen Netzwerken

Seit dem Cambridge-Analytica-Skandal bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 ist klar, dass Social Media ein zentrales Werkzeug für politische Wahlkämpfe geworden ist. Donald Trump nutzte erfolgreich gezielte Facebook-Anzeigen, um Millionen Wähler*innen zu erreichen. Obwohl der Skandal die öffentliche Wahrnehmung stark belastete, hat der Einfluss von Social Media in den Wahlkämpfen nicht nachgelassen.

Donald Trump erreicht mehr als zwölf Millionen Menschen bei TikTok. (Quelle: TikTok/Screenshot/realdonaldtrump)

Bei der US-Wahl 2024 spielt nun TikTok die entscheidende Rolle. Ex-Präsident und Republikaner Donald Trump erreicht auf der Plattform bis zu 22,8 Millionen Aufrufe pro Video und hat 11,5 Millionen Follower*innen (Stand: 26.09.2024). Die derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris, die TikTok erst seit diesem Jahr für ihren Wahlkampf nutzt, konnte bereits 5,7 Millionen Follower*innen verzeichnen (Stand: 26.09.2024). Ihre Inhalte sind modern und dynamisch, um vor allem jüngere Wähler*innen anzusprechen.

Kamala Harris ist erst seit einigen Monaten bei TikTok und erreicht inzwischen Millionen. (Quelle: TikTok/Screenshot/kamalaharris)

Verschiedene Möglichkeiten, Zielpersonen zu erreichen

Die eigene Vermarktung ist also die eine Sache. Politische Kampagnen die andere. Letztere bedienen sich verschiedenen Taktiken, um Wähler*innen auf Social Media zu erreichen. Von bezahlten Anzeigen bis hin zu organischen Inhalten gibt es zahlreiche Wege, die Zielgruppen zu mobilisieren.

Microtargeting

Microtargeting ermöglicht es, Wähler*innen sehr präzise anzusprechen. In den USA ist dies ein gängiges Mittel, um Zielgruppen basierend auf Daten wie Alter, Wohnort und Interessen mit maßgeschneiderten Botschaften zu erreichen. Der Cambridge-Analytica-Skandal zeigte, wie effektiv Microtargeting sein kann – allerdings auf fragwürdige Weise, indem Daten von Millionen Facebook-Nutzenden missbraucht wurden, um den US-Wahlkampf zu beeinflussen.

In Deutschland wird Microtargeting zwar auch eingesetzt, jedoch mit stärkeren Einschränkungen. Parteien haben sich auf Fairness-Regeln geeinigt, die nur allgemeine Kategorien wie Geschlecht oder Interessen zulassen.

Lookalike Audience

Lookalike Audiences ermöglichen es, Menschen zu erreichen, die ähnliche Verhaltensweisen und Interessen wie bestehende Zielgruppen haben. Diese Methode wird häufig genutzt, um neue, potenzielle Wähler*innen zu identifizieren, die bisher nicht direkt mit der Partei oder dem Kandidat*innen in Kontakt standen.

Dark Ads

Dark Ads sind Anzeigen, die nur einem bestimmten Publikum angezeigt werden und nicht öffentlich sichtbar sind. Diese Art von Anzeigen kann problematisch sein, da sie oft schwer zu überwachen ist. Meta versucht dem durch seine öffentliche Werbebibliothek entgegenzuwirken und mehr Transparenz zu schaffen. Dort kann sich jede Person mittels Stichwortsuche Werbungen anzeigen lassen, die aktuell auf der Plattform geschaltet sind.

Gefährdet Targeting die Demokratie in Deutschland?

Während Social Media in den USA bereits tief im politischen Wahlkampf verankert ist, ist der Einfluss in Deutschland geringer. Doch erste Anzeichen deuten darauf hin, dass sich dies ändern könnte, insbesondere durch Plattformen wie TikTok.

EU-Verordnung definiert klare Regeln

Seit April 2024 gibt es eine neue EU-Verordnung, die klare Richtlinien für politische Werbung vorgibt:

  • Politische Anzeigen müssen gekennzeichnet sein
  • Es muss offengelegt werden, wer die Werbung schaltet, welche Kampagne dahintersteckt, und wie viel Geld investiert wurde. Damit möchten die sozialen Netzwerke sicherstellen, dass politische Kommunikation nicht im Verborgenen geschieht und potenziell manipulative Inhalte sichtbar bleiben.
  • Targeting ist außerdem nur auf Basis personenbezogener Daten erlaubt, denen die Nutzer*innen ausdrücklich zugestimmt haben. Sensible Angaben über die Glaubensausrichtung oder politische Einstellung dürfen in der EU nicht genutzt werden.

Meta schränkt politische Inhalte ein

Meta hat angekündigt, wie bereits bei den US-Wahlen 2020 und 2022, eine Sperrzeit für politische Werbung einzuführen. Diese Regel soll verhindern, dass in den letzten Tagen vor der Wahl gezielt mit Anzeigen Einfluss genommen wird. Außerdem werden folgende Maßnahmen hantiert:

  • Autorisierungsverfahren: Wer in Europa politische Werbung auf Instagram oder Facebook schalten möchte, muss zuvor ein Autorisierungsverfahren durchlaufen. In der EU sind politische Anzeigen zudem mit dem Disclaimer „Finanziert von“ gekennzeichnet und werden für sieben Jahre in der Werbebibliothek gespeichert. Diese Transparenz soll sicherstellen, dass die Herkunft und Finanzierung der Werbung klar ersichtlich ist.
  • Einschränkung: Aus Angst vor Konflikten werden politische Inhalte auf den Meta-Plattformen Facebook, Instagram und Threads zukünftig noch weiter eingeschränkt. Instagram CEO Adam Mosseri hat angekündigt, dass die Plattform politische Inhalte nicht mehr prominent in den Empfehlungen anzeigen wird. Nutzer*innen können Parteien und ihre Mitglieder zwar weiterhin finden, aktiv vorgeschlagen werden die Inhalte jedoch nicht mehr.

TikTok als neues Medium im Wahlkampf

TikTok entwickelt sich rasant zu einem der wichtigsten Werkzeuge im Wahlkampf, vor allem, um junge Wähler*innen im Alter von 14 bis 27 Jahren zu erreichen.

Mit seiner Kombination aus kurzen, unterhaltsamen Videos und einer starken viralen Reichweite ist die Plattform perfekt auf das Kommunikationsverhalten der jungen Generation zugeschnitten. Hinzu kommt das veränderte Suchverhalten der jüngeren Zielgruppen: TikTok scheint sich immer mehr zur bevorzugten Suchmaschine zu entwickeln.

In Deutschland geriet TikTok besonders durch die AfD in den politischen Diskurs. „Die holen sich all ihre Informationen auf TikTok“, konkludierte der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß während der SWR-Sendung „Zur Sache! Baden-Württemberg“. Insbesondere in diesem Bundesland ist die AfD auf der Plattform besonders erfolgreich. Generell hat die Partei in dem sozialen Medium eine beachtliche Reichweite aufgebaut und scheint sie gezielt zu nutzen, um ihre Inhalte an eine junge Zielgruppe auszuspielen.

Die AfD spricht auf TikTok ein bestimmtes Publikum an, das über traditionelle Medien schwer zugänglich ist und hat dadurch seine Wähler*innenbasis bei jungen Menschen deutlich erweitert. Aus einem bestimmten Grund: Andere Parteien sind in Deutschland nur wenig auf TikTok zu finden. Anders als in den USA. Auch in Frankreich, Argentinien oder Polen ist das Medium beliebt unter den Parteien. In Deutschland? Funkstille.

Die Gefahren der politischen Meinungsbildung durch Social Media

Neben den Chancen birgt der Einsatz von Social Media im Wahlkampf auch Gefahren für die politische Meinungsbildung. Empfehlungsalgorithmen und KI-generierte Inhalte können den demokratischen Diskurs verzerren.

Filterblasen

Durch Empfehlungsalgorithmen entstehen sogenannte Filterblasen, in denen Nutzer*innen nur noch Inhalte sehen, die ihrer bisherigen Meinung entsprechen. Schaut sich jemand radikale TikTok-Videos an, bekommt er diese weiterhin (und meist sogar vermehrt) ausgespielt – und zwar in Dauerschleife.

Durch die Funktionsweise der Algorithmen verstärken sich daher häufig radikale Positionen, während ausgewogene Diskussionen kaum mehr stattfinden. Das kann dazu führen, dass die politische Meinungsbildung einseitig verläuft und die Polarisierung zunimmt.

KI-generierte Inhalte und Deepfakes

Eine weitere ernsthafte Gefahr stellen KI-gestützte Technologien dar. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz versprachen die großen Tech-Firmen wie Meta, X, TikTok, Microsoft und Google, dass sie sich stärker gegen Deepfakes einsetzen und KI-generierte Inhalte besser für Nutzer*innen kennzeichnen werden.

In der Realität fehlen jedoch Ressourcen, um die Inhalte schnell genug zu erkennen, um sie von der Plattform zu nehmen. Zwar unterstützt KI-Software bei der Identifizierung, doch bleibt auch sie nicht fehlerfrei. Das Risiko, dass manipulierte Inhalte den politischen Diskurs beeinflussen, bleibt deshalb weiterhin hoch.

Gilt bei politischem Content Quantität über Qualität?

Im Gegensatz zu den USA gilt in Deutschland das Verhältniswahlrecht. Hier werden Sitze im Parlament proportional zur Anzahl der Wähler*innenstimmen verteilt, was kleineren Parteien eine realistische Chance gibt, Einfluss zu nehmen. Social Media spielt dabei eine immer größere Rolle.

Die AfD nutzt TikTok strategisch, um möglichst viele Beiträge zu posten und so eine enorme Reichweite zu erzielen – unabhängig von der inhaltlichen Tiefe der Beiträge. Besonders auffällig: Neben dem Hauptaccount der AfD veröffentlichen auch einzelne AfD-Politiker*innen regelmäßig Inhalte, um die junge Wähler*innenschaft zu erreichen und animieren dazu, die Posts zu vervielfältigen.

Diese Strategie birgt Gefahren, da oft Quantität über Qualität gestellt wird. Die Inhalte, die viral gehen, sind oft simplifiziert, was zu einer oberflächlichen politischen Debatte führt. Social Media belohnt einfache, eingängige Botschaften – gerade das nutzt die AfD, um ihre Sichtbarkeit zu maximieren.

Unterstützung namhafter Stars beeinflusst Wahl

Es wird zunehmend deutlich, dass Social Media als politisches Werkzeug in einer demokratischen Gesellschaft optimiert werden muss. Regeln für die Verbreitung politischer Inhalte und die Digitalisierung der Politik müssen gestärkt werden, um einen ausgewogenen öffentlichen Diskurs zu fördern und die Bildung von „Meinungsblasen“ zu verhindern.

Doch wie realistisch ist es, wenn die Plattformen selbst entscheiden, welche Inhalte ausgespielt werden und welche nicht? So bemerkte Content Creatorin und US-Amerikanerin Arielle Fodor, dass ihre Videos weniger Reichweite erzielten, sobald sie die anstehende US-Wahl erwähnte. Journalist Geoffrey A. Fowler untersuchte den Fall, analysierte Fodors Profil und fand heraus: Im Vergleich zu unpolitischen Reels gingen die Aufrufzahlen der politischen Reels um etwa 40 Prozent zurück.

Ganz anders ist das beispielsweise auf X. Dort sind politische Inhalte ausdrücklich erwünscht. Auch wenn diese in eine teils einseitige Richtung switchen: Inhaber Elon Musk hat einen deutlichen Standpunkt und versteht sich seit vielen Wochen als Unterstützer Trumps.

Damit wird ein weiteres Thema sichtbar: In den USA äußern sich große Stars zur Wahl. Bestes Beispiel: Taylor Swift. Sie sprach sich für Kamala Harris aus und ihr Post bekam binnen einer Viertelstunde eine Millionen Likes. Unter ihnen: Jennifer Aniston, Selena Gomez und Oprah Winfrey – eben auch ein Statement. Beyoncé zog ebenfalls nach und erlaubte Harris die Nutzung ihres Songs „Freedom“.

Sängerin Taylor Swift äußerte sich bei Instagram zu den US-Wahlen. (Quelle: Instagram/Screenshot/taylorswift)

Fazit: Social Media im Wahlkampf – Balance zwischen Potenzial und Gefahr

Social Media ist heute eine unverzichtbare Macht im politischen Wahlkampf – und das nicht nur in den USA. Die Fähigkeit, Wähler*innen direkt und individuell anzusprechen, bietet enorme Chancen, birgt aber auch Risiken. Plattformen wie TikTok oder Instagram:

  • prägen zunehmend die politische Meinungsbildung,
  • beeinflussen die Themen, die in den Diskurs gelangen und
  • schaffen teils Filterblasen, die den demokratischen Austausch verengen können.

Vor allem das US-Beispiel zeigt, wie Social Media als Mittel zur Mobilisierung und Meinungsbildung genutzt wird – mit all seinen Facetten von Microtargeting bis hin zur strategischen Unterstützung durch Influencer*innen und Stars.

Für die Zukunft wird entscheidend sein, wie sich der Umgang mit politischen Inhalten auf den sozialen Netzwerken entwickelt. Europa macht mit strengeren Regulierungen Schritte in die richtige Richtung, um Manipulationen vorzubeugen und Transparenz zu fördern. Dennoch bleibt die Frage, wie weit Plattformen wie TikTok oder Meta die Verantwortung für ihre Inhalte übernehmen können – und wollen. Fest steht, dass Social Media auch bei kommenden Wahlen eine zentrale Rolle spielen wird. Politische Akteur*innen müssen sich den Herausforderungen der Plattformen stellen und den digitalen Wandel aktiv mitgestalten, um die Demokratie zu stärken und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen.

Quellen:

Eigentlich ganz passend, oder?

MIT YAS FILM HABEN WIR JETZT EIN INTERNES FILM TEAM - CHANGE BY MOTION! 
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