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Uli Wolter im Gespräch über Live Content

Ephemeral Content gewinnt in den sozialen Medien zunehmend an Bedeutung und meint Inhalte, die nur über einen bestimmten Zeitraum zugänglich sind.

Konkret sind damit also Live-Formate gemeint – hauptsächlich bekannt von Instagram Stories oder Livestreams auf Facebook. Kaum ein*e Influencer*in, die*der heute nicht permanent mit Instagram Stories auf Sendung ist, kaum ein großes Event, das nicht auch über Facebook live zugänglich ist.

Klar, denn: Live-Videos werden dort dreimal länger als permanent verfügbare Videos angesehen. Und auch insgesamt schaffen es diese inzwischen, mehr Klicks zu generieren.

McDonald’s gewährte seinen Kund*innen bereits 2016 via Realtime Content einen Blick hinter die Kulissen. Die Marke streamte auf Facebook, Twitter und Youtube 12 Stunden am Stück – und erreichte damit 6 Millionen deutschsprachige Nutzer*innen.

Live Content: Ein Tanz zwischen Chance und Risiko

Da ist es nicht verwunderlich, dass unter Marketer*innen das Bewusstsein für Live-Formate wächst. Das Problem: Endlos-Abstimmungsschleifen und detaillierte Redaktionspläne sind bei der Erstellung von Realtime Content nicht möglich. Die Sorge: Unprofessionelle Veröffentlichungen und im schlimmsten Fall Shitstorms.

Uli Wolter ist geschäftsführender Gesellschafter der B+D Interactive und beschäftigt sich mit Live-Formaten. Mit ihm sprechen wir über die Hürden bei der Planung des Contents und warum Unternehmen das Potenzial von Ephemeral Content trotzdem nicht ungenutzt lassen sollten.

Hallo Uli! Im Content Marketing stehen uns eine ganze Reihe an inhaltlichen Formaten und Kanälen zur Verfügung. Du hebst vor allem die Bedeutung von Instagram Stories und Livestreams hervor. Warum sollten Unternehmen besonders diese „flüchtigen“ Formate (Ephemeral Content) auf dem Zettel haben?

Uli Wolter: Im Zeitalter eines wahren Content-Stroms gilt es, aus der Masse an werblichen Inhalten herauszustechen. Die*Der Nutzer*in ist täglich mit Millionen an Inhalten konfrontiert und filtert ganz automatisch nach relevanten und nicht relevanten Inhalten. Relevant bedeutet heutzutage auch sehr häufig authentisch.

Instagram Stories und Live-Formate sind wohl die derzeit authentischsten Content-Formate. Ungeschönte Einblicke im Rahmen von Livestreams oder sehr snackable zu konsumierende Content-Stücke im Fall von Instagram Stories bieten den Nutzer*innen einen echten Mehrwert und schaffen es in das Relevant Set der Nutzer*innen.

Für welche Unternehmen und Branchen bietet sich Realtime Content besonders an?

Uli Wolter: Der Einsatz von Realtime Content setzt einen gewissen Grad an Mut und manchmal auch Humor voraus, man darf sich als Marke nicht zu ernst nehmen und verlässt die bestens geplante Komfortzone.

Zum einen, weil man sich als Marke eines tagesaktuellen Themas bedient und Humor hier häufig die entscheidende Schnittstelle darstellt. Zum anderen, weil aktueller Content natürlich voraussetzt, dass schnell reagiert wird. Ausführliche Briefings, endlose Feedbackschleifen sind hier No Gos.

Insofern ist es aus unserer Erfahrung heraus weniger die Frage, in welcher Branche man sich bewegt, sondern eher, wie viel man sich als Marke traut. Und das gilt branchenübergreifend.

Content – egal welcher Art – soll in erster Linie der*dem Nutzer*in einen Mehrwert bieten, aber muss letztlich natürlich auch auf die eigenen Unternehmensziele einzahlen. Welche Ziele lassen sich mit Realtime Content erreichen?

Uli Wolter: Realtime Content soll in erster Linie einen positiven Abstrahleffekt auf die Marke haben. Dieser kann durch unterschiedliche Kennzahlen gemessen werden.

Durch das Aufgreifen eines tagesaktuellen Themas soll in der Regel eine erhöhte Anzahl an Interaktionen generiert werden, das bedeutet Engagement und im nächsten Schritt hierdurch erzielte Reichweite.

Im besten Fall geht der Einsatz von Echtzeit-Content natürlich auch mit einer positiven Tonalität – gemessen an der KPI Sentiment – einher.

Setzt eine Marke vermehrt und erfolgreich auf Realtime Content, kann es aber natürlich auch zu optimierten Werten im Hinblick auf die Markenbindung kommen und einen positiven Impact auf das Image haben.

Marketing-Abteilungen planen ihren Content zumeist lange im Voraus in einem Redaktionsplan. Bei Realtime Content wie Instagram Stories oder Live-Videos ist das gar nicht so leicht. Diese Formate gewinnen ja gerade durch die Spontanität ihren Reiz.

Hier besteht aber immer das Risiko, unprofessionell zu wirken oder falsche Botschaften zu senden. Mit welcher Einstellung sollten Unternehmen an die Erstellung von Realtime Content herangehen?  

Uli Wolter: Die Gefahr besteht definitiv – wenn man Realtime Content zweckentfremdet. So unabdingbar eine kurze Reaktionszeit ist, so wichtig ist es natürlich auch, dass sich jeder damit einigermaßen wohl fühlt.

In der Regel besteht das größte Risiko, negatives Feedback zu generieren, wenn ein Gap herrscht zwischen der alltäglichen Tonalität der Marke, der gespielten Themen und des Realtime-Events. Eine zu geringe Schnittstelle des tagesaktuellen Events zur Marke wirkt artifiziell und nicht mehr authentisch.

Umso unabdingbarer ist an der Stelle eine Content-Strategie. Diese sollte im besten Fall manifestieren, wie man als Unternehmen zu Realtime Content steht und natürlich auch, wie man mit dieser Art Content umgeht.

Mit einem Smartphone kann jedes Unternehmen direkt drauf los streamen und posten. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass der Content auch bei den Zuschauer*innen ankommt?

Uli Wolter: Im besten Fall gibt es eine gesunde Mischung aus Authentizität und Marke. Die entscheidende Frage sollte immer sein „Mit welcher Art Content und welchen Botschaften kann ich als Marke welche Zielgruppe am effizientesten erreichen?“

Das lang gelebte Gießkannen-Prinzip hat ausgedient. Heute geht es um personalisierte Inhalte in Form von zielgruppenspezifischem Storytelling. Nur so können sich Nutzer*innen und damit potenzielle Kund*innen mit den Markeninhalten identifizieren.

Wenn wir an Livestreams und Instagram Stories denken, haben wir besonders die Millennials im Blick. Meinst du, Realtime Content bleibt eher ein Format, um junge Zielgruppen anzusprechen oder glaubst du, dass es sich langfristig auch branchen- und altersübergreifend durchsetzen wird?

Uli Wolter: Ich glaube, insbesondere Instagram Stories haben sich längst altersübergreifend durchgesetzt. Millennials verbringen täglich 32 Minuten bei Instagram. Die tägliche Verweildauer bei Nutzer*innen über 25 Jahren liegt bei 24 Minuten.

Es geht, denke ich, weniger um das Alter oder die Branche. Im Hinblick auf die Nutzer*innen spielt das Thema „Affinität zu digitalen Medien“ eine entscheidende Rolle.

Hinsichtlich der Branchen gibt es natürlich Bereiche, denen es leichter fällt Inhalte zu produzieren als anderen. Was aber nicht bedeutet, dass ein Hersteller für Elektrowerkzeuge nicht auch spannenden Content erstellen kann. Die Challenge ist nur größer. Dafür ist der Markt hier noch nicht so verbraucht.

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Uli!

Mut haben, sich nicht zu ernst nehmen. Klingt ja eigentlich ganz einfach. Das aber auch in der Praxis zu leben, dafür ist manchmal vielleicht schon ein Bewusstseinsprozess nötig. Erfahrung hilft natürlich dabei, Unsicherheiten abzulegen.

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Ganz konkret können Unternehmen erst einmal mit den vergleichsweise “einfachen” Dingen beginnen: Eine Content-Strategie entwickeln, in die Ephemeral Content bereits integriert ist und die einen klaren Rahmen für die Live-Formate festsetzt. Das Ganze an der bereits bestehenden Tonality orientieren. Sich ausprobieren.

Und: Das eigene Storytelling zur Unternehmens-DNA machen, bis es sich übergreifend durch den gesamten Content zieht und in Fleisch und Blut übergeht. Ob live oder nicht.

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Manni (he/him)
Manni ist Head of Marketing und verantwortlich für die Eigenvermarktung von House of Yas. Vor seiner Zeit bei House of Yas hat er bei Radiosendern und Zeitungen gearbeitet und nebenher seinen Master in Medienkulturwissenschaften gemacht. Heute bringt er seine journalistische Erfahrung und kritische Mediendenke in den Agenturalltag ein und lässt seiner Kreativität bei der Entwicklung von neuen Formaten freien Lauf.
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