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Politische Kommunikation auf Instagram und TikTok: Chancen und Gefahren

Für Politiker*innen und Parteien sind soziale Medien wie Instagram, TikTok und Co. zu wichtigen Sprachrohren geworden, um potenzielle Wähler*innen zu erreichen und sich zu positionieren. Ein ziemlich entscheidender Faktor: Denn tendenziell nimmt die Wählerbindung ab und politische Akteur*innen müssen noch mehr um die Gunst der Bürger*innen kämpfen.

In diesem Artikel erfährst du, wie Instagram und TikTok den politischen Diskurs bereichern können – aber auch, welche Gefahren diese Form der politischen Kommunikation birgt.

Chancen auf Instagram und TikTok: So punkten Politiker*innen im Netz

Dass sich ein Großteil der Kommunikation in die sozialen Netzwerke verlagert, müssen wir euch nicht erzählen. Immerhin sind dort fast 68 Millionen Menschen in Deutschland aktiv. Das entspricht rund 80 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sich dort zu zeigen, kann mitunter einen großen Unterschied machen. Das haben auch politische Parteien bemerkt, die inzwischen vielseitig über die sozialen Netzwerke mit ihrer (potenziellen) Wählerschaft kommunizieren.

Instagram und TikTok bieten Politiker*innen zahlreiche Möglichkeiten, ihre Botschaften zu verbreiten und mit Bürger*innen zu interagieren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:

  • Authentizität
  • Persönlich
  • Nahbar

Nachfolgend erfährst du, welche Chancen Instagram und TikTok für die politische Kommunikation bereithalten und wie Akteur*innen sie bereits erfolgreich nutzen.

Maximale Reichweite durch gezielte Zielgruppenansprache

Instagram und TikTok gehören zu den meistgenutzten sozialen Medien weltweit. Deutsche Nutzer*innen verbringen im Monat durchschnittlich 37,38 Stunden auf TikTok und 10,45 Stunden auf Instagram. Mit anderen Worten: Mit einem Beitrag können politische Akteur*innen mehrere Millionen Menschen erreichen.

Zudem besteht die Möglichkeit, vor allem junge Nutzende anzusprechen: Auf TikTok etwa sind 63 Prozent der User*innen zwischen 10 und 29 Jahre alt. Durch kreative und interaktive Inhalte können Politiker*innen junge Menschen für politische Themen begeistern und zur aktiven Teilnahme motivieren.

Dem zugrunde liegt eine Theorie des deutschen Politikwissenschaftlers Winand Gellner. Er rief vier Grundmuster der Politik ins Leben. Diese sind an dieser Stelle nicht allzu relevant, allerdings erweiterte er seine These um ein fünftes Grundmuster: das individualistisch-anarchistische Grundmuster.

Neu ist hierbei, dass stets öfter eine individualisierte Form der politischen Kommunikation stattfindet. Laut Gellner entspreche das der „Logik der vernetzten Kommunikation“, welche durch die sozialen Netzwerke immer häufiger stattfindet. Denn Akteur*innen haben auf den jeweiligen Plattformen die Möglichkeit, eigene Inhalte einzubringen und auf fremde Inhalte zu reagieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass politische Kommunikation in der heutigen Zeit individualisierter wird.

Authentizität zeigen, Bürgernähe gewinnen

Auf Instagram und TikTok liegt der Fokus der politischen Kommunikation mehr auf persönlichen Inhalten und weniger auf thematischen. So ging im April 2024 etwa ein TikTok-Video von Bundeskanzler Olaf Scholz viral, in dem der er enthüllte, was er eigentlich in seiner Aktentasche hat.

Die Aufnahme mit dem Hashtag #whatsinmybag sahen inzwischen 5,2 Millionen Nutzer*innen (Stand: 17. Juli 2024). Dass der SPD-Politiker nicht über politische Inhalte sprach, sondern persönliche Details aus seinem Alltag preisgab, sollte Nähe zu potenziellen Wähler*innen schaffen und Authentizität vermitteln.

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Bundeskanzler Olaf Schulz nutzt TikTok für mehr private Einblicke (Quelle: Screenshot TikTok-Video)

Let’s go viral: Viralität als Hebel nutzen

Dass das Video des Kanzlers mehr als fünf Millionen Aufrufe hat, zeigt, dass TikTok- und Instagram-Beiträge ein enormes Potenzial haben, viral zu gehen – und das mit wenig Aufwand. So erregen politische Akteur*innen Aufmerksamkeit und rücken in den Fokus der medialen Berichterstattung.

Direkte Interaktion: Bürgerfeedback in Echtzeit

TikTok und Instagram machen es politischen Akteur*innen möglich, niedrigschwellig mit potenziellen Wähler*innen zu interagieren. Diskussionen und Kommentare geben schnell Aufschluss darüber, welche Meinungen Menschen aus der Zielgruppe vertreten. Politiker*innen können direkt darauf reagieren, beispielsweise mit weiteren Beiträgen dieser Art, und erhalten schnell Feedback. User*innen signalisieren mit nur einem Klick Zustimmung, indem sie ein Like dalassen oder den Beitrag teilen.

Je mehr Likes und Shares ein Posting bekommt, desto mehr Menschen erreicht es – so funktionieren Algorithmen nunman. Auch die Möglichkeit, live zu gehen und so direkt Fragen von Nutzer*innen zu beantworten oder auf Kritik und Lob einzugehen, verstärkt den Austausch zwischen Politiker*innen und Bürger*innen und schafft Nahbarkeit.

Übrigens: Barack Obama setzte Grundstein für Politik und Wahlkampf im Internet

Als sich Barack Obama 2008 gegen John McCain durchsetzte, war nicht nur das eine Revolution in der US-amerikanischen Geschichte. Auch der Einsatz von sozialen Medien war neu – zu dieser Zeit waren das Facebook und damals noch Twitter. Es gab plötzlich nicht mehr nur ein neues Sprachrohr, sondern eine viel schnellere Verbreitung, sodass auch Journalist*innen ins Boot geholt werden konnten. Schon 1995 prophezeite der Politikwissenschaftler Winand Gellner, dass bestehende Muster in der politischen Kommunikation durch das Aufkommen von Internetangeboten aufgebrochen und transformiert werden würden.

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Annalena Baerbock zeigt sich auf Instagram als Fan der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Das kommentieren ihre Follower*innen eifrig. (Quelle: Screenshot Instagram Post)

Visuelle Botschaften, die im Gedächtnis bleiben

Instagram sowie TikTok sind stark visuell orientiert. Das ermöglicht es, komplexe politische Botschaften durch kreative und einprägsame Bilder, Videos und Memes zu vermitteln. Kurze, ansprechende Inhalte sind oft effektiver, um die Aufmerksamkeit der Nutzer*innen zu gewinnen und Botschaften zu verbreiten.

Aber Achtung: Dass komplexe Themen lediglich visuell vermittelt werden, birgt auch Gefahren.

Die Schattenseite der Social-Media-Politik: Risiken auf Instagram und TikTok

Die schnelle Verbreitung von Informationen kann ebenso leicht zur Weitergabe von Falschinformationen und Propaganda führen. Außerdem besteht die Gefahr, dass politische Inhalte zu stark vereinfacht und oberflächlich dargestellt werden.

Deshalb beleuchten wir im nächsten Abschnitt die Risiken und Herausforderungen der politischen Kommunikation auf Instagram und TikTok.

Desinformationen: Gefährliche Fake-News im Umlauf

Gute, wie auch Falschinformationen erreichen innerhalb kürzester Zeit Millionen Menschen. Viele Nutzer*innen prüfen die Fakten auf sozialen Medien nicht, sondern leiten sie unvermittelt weiter, weil sie echt erscheinen und einen bestimmten Nerv treffen oder ein bestehendes Problem beziehungsweise Vorurteil bestätigen. So entbrennen teils Debatten über Themen wie Migration, die auf falschen Informationen basieren und vor allem in extremistischen Communities Hass schüren.

Manipulation und Propaganda: Meinungsbildung im Fadenkreuz

Politische Kommunikation auf TikTok und Instagram wird zum Teil auch für manipulative Zwecke missbraucht. Zum einen durch die Verbreitung von Falschinformationen, zum anderen durch den Einsatz von Bots und gefälschten Accounts. So können politische Akteur*innen einfacher Propaganda verbreiten und die öffentliche Meinung beeinflussen.

Auch das gezielte Streuen von polarisierenden Inhalten gilt als Gefahr auf TikTok und Instagram. Schaut man nur einmal auf die Zahlen des Bundestagswahlkampfes von 2017 und die Wahlkämpfe vor der Europawahl 2019, erzielte die AfD die meisten Reaktionen auf eigene Posts. Die Erklärung liegt nahe, denn die provokanten Videos sprechen Emotionen der User*innen gezielt an.

Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit: Komplexe Themen leicht gemacht

Dass politische Inhalte auf Instagram und TikTok einfach und schnell verbreitet werden können, kann von großem Nutzen sein. Zugleich stellen politische Akteur*innen komplexe Themen teils zu vereinfacht und oberflächlich dar. Der Nahostkonflikt etwa lässt sich nicht in einem einminütigen Reel erklären – wichtige Informationen fehlen höchstwahrscheinlich, um eine tiefgründige politische Debatte zu führen.

Algorithmische Verzerrung: Einseitige Feeds und eingeschränkte Meinungsvielfalt

Viele kennen den Begriff: Man befindet sich in einer Bubble. Gemeint ist damit, dass sich Menschen all jenen Inhalten zugehörig fühlen, die ihren eigenen Werten entsprechen. Das funktioniert nicht nur im wahren Leben so, sondern auch auf den einschlägigen Plattformen. Denn der Algorithmus weiß ganz genau – und erschreckend schnell – was einem gefällt.

Genauso funktioniert es mit hohen Zahlen an Shares, Likes und generellem Engagement: Sie zeigen einerseits, wie beliebt ein Video ist, andererseits haben sie Einfluss auf die Sichtbarkeit des Posts. Denn je mehr Nutzende interagieren, desto höher werden die jeweiligen Inhalte gerankt – egal, ob sie nun politisch korrekt sind oder nicht. Die Plattform nimmt lediglich an, dass die Inhalte relevant sind.

Die Kehrseite: Die Gegenseite wird im Feed kaum oder gar nicht dargestellt. Das wiederum schränkt die Meinungsvielfalt ein und erschwert den politischen Dialog.

Fazit: Chancen und Gefahren im Blick behalten

Instagram und TikTok bieten politischen Akteur*innen diverse Chancen, mit Bürger*innen zu kommunizieren und schnell ein Millionenpublikum zu erreichen. Zugleich verbreiten sich über die Kanäle auch Falschinformationen und Propaganda. Ein Bewusstsein über die Kommunikationstechniken und Mechanismen zu haben, ist hilfreich, um zu verstehen, weshalb einzelne Parteien auf eine gewisse Art und Weise kommunizieren. Dabei solltest du nicht vergessen, dass sich Politiker*innen inzwischen auch als eigene Marke sehen. Spricht ein*e Politiker*in von grünem Wohnen und nachhaltigem Leben, ist es nur sinnvoll, diese Werte auch aktiv zu verkörpern und nicht nur als Fußnote zu behandeln.

Quellen:
https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/soziale-medien/545485/soziale-medien-und-die-kommunikation-politischer-und-staatlicher-institutionen/

https://winfuture.de/infografik/27674/Social-Media-Nutzung-TikTok-nutzt-vor-allem-die-Jugend-1710940048.html

https://www.bpb.de/lernen/bewegtbild-und-politische-bildung/themen-und-hintergruende/lernen-mit-und-ueber-TikTok/523784/nutzer-innen-wer-nutzt-TikTok/

https://www.faz.net/aktuell/wissen/geist-soziales/die-digitalisierte-oeffentlichkeit-im-griff-der-sozialen-medien-19111824.html

https://www.TikTok.com/@teambundeskanzler/video/7356168303917731105?embed_source=121374463,121442748,121439635,121433650,121404358,121351166,121331973,120811592,120810756;null;embed_blank&refer=embed&referer_url=www.dasding.de/newszone/TikTok-olaf-scholz-bundeskanzler-video-aktentasche-viral-100.html&referer_video_id=7356168303917731105

https://de.statista.com/themen/2506/instagram/#editorsPicks

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1356493/umfrage/anzahl-der-TikTok-nutzer-weltweit/

https://www.meltwater.com/de/blog/social-media-marketing-statistiken

https://www.onlinemarktplatz.de/237087/social-media-nutzung-in-deutschland/

https://datareportal.com/reports/digital-2024-germany

https://www.saechsische.de/politik/europawahl/politische-meinungsbildung-ueber-soziale-netzwerke-europawahl-6008216-plus.html

https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/541511/TikTok-und-rechtsextremismus/

https://www.kas.de/documents/252038/7995358/Kann+Instagram+auch+Politik.pdf/e8c04db5-0be9-101f-12d6-1b57dd64add3?version=1.0&t=1597911238796

https://mecoa.de/instagram-in-der-politik-erfolgsgeheimnisse-erfolgreicher-postings/

https://tridenstechnology.com/de/TikTok-nutzer-statistik/

https://table.media/berlin/news/aktuelle-umfrage-schwache-waehlerbindung-von-fdp-und-spd/

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