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Was Filterblasen im Marketing bedeuten

Ausrufe wie „Du lebst ja in deiner ganz eigenen Welt!“ bekommen eine ganz andere (oder eher erweiterte) Bedeutung, je nachdem, aus welcher Blase, äh, von welchem Standpunkt aus man Dinge betrachtet. Auch wir Marketer*innen leben, arbeiten und agieren in und aus unserer ganz eigenen Bubble heraus mit unseren Mitmenschen. In diesem Artikel erfährst du, wie die Marketingwelt sowohl auf inhaltlicher als auch auf technischer Seite Filterblasen durchbrechen und dadurch Diversität im digitalen Umfeld fördern kann.

Filterblasen im Marketing: In welcher Blase stecken wir?

Einsicht ist der erste Weg zur Besserung – und dazu gratulieren wir dir ganz herzlich! Auch du befindest dich nämlich in den (un)begrenzten Weiten deiner ganz persönlichen (wahrscheinlich marketingbezogenen) Filterblase, schließlich liest du ja gerade aufmerksam diesen Artikel.

Wir Marketer*innen müssen uns (noch mehr) darüber bewusst werden, dass wir aktiv am Status Quo der Themen unserer Zeit und deren Vermittlungsradius beteiligt sind. Darunter fallen beispielsweise Themen wie Toxische Männlichkeit im Marketing, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen oder Rassismus, Tierschutz und Klimawandel. Die Frage ist nun: Wie kriegen wir es hin, solche Inhalte und Werte sowohl in die Chef*innenetagen dieser Welt als auch in das lokale Jugendzentrum um die Ecke auf den inhaltlichen und diskussionswürdigen Tisch zu bringen – und das am besten noch so inklusiv wie möglich?

Was sind Filterblasen überhaupt?

Der Begriff der Filterblasen wurde unter anderem vom Internetexperten und Autoren Eli Pariser geprägt. In seinem Buch „The Filter Bubble: What the Internet is Hiding from you“ spricht der Amerikaner davon, wie aus personalisierten Suchanfragen im Internet eine Art der intellektuellen Isolation entstehen kann. Pariser beschreibt besonders den Einfluss von Google und Facebook als erschreckend und überaus mächtig.

Hat der Kreislauf der personalisierten Informationslieferung einmal begonnen, bekommen wir entsprechend unser bisherigen Suchergebnisse aufgrund von Algorithmen auch nur die Inhalte weiter angezeigt, die mit unseren vorab gespeicherten Interessen und Suchanfragen übereinstimmen. Wir befinden uns also in einer selbstauferlegten, geschlossenen Blase, in der wir so gut wie nichts Neues lernen können, zumindest nicht außerhalb unserer einengenden „Komfortzone“ – Pariser sieht darin sogar eine Bedrohung der Demokratie.

So entsteht die Gefahr, dass bestimmte Gruppen von Menschen im digitalen Raum stets unter sich bleiben und so eine Art elitäre Gemeinschaft bilden. Auf der einen Seite gibt es zum Beispiel die Woke Bubble der zugezogenen Großstädter*innen, die beim Heimatbesuch Tanten und Onkel missbilligend anschauen, weil diese noch nie etwas von white fragility gehört haben (wo leben die denn?). Auf der anderen Seite stehen die gebildeten Finanzexpert*innen, die einfach nicht nachvollziehen können, warum sich besonders junge Menschen, deren Interessensgebiete (besonders im Internet) oftmals woanders liegen, hoch verschulden oder nicht bereits angefangen haben, privat vorzusorgen.

Was bedeutet das für die Marketingwelt?

Solche anekdotischen Beispiele lassen sich beliebig fortführen. Sie zeigen, an welchen Stellen digitale Kommunikation eben nicht verbindet, sondern tatsächlich auch spalten kann. Marketer*innen sind als Initiator*innen und Moderator*innen von digitaler Kommunikation deshalb gefordert, sowohl zur gegenseitigen Verständigung als auch zu einem Verständnis und Verstehen auf möglichst allen Seiten beizutragen.

Wie man’s eher nicht angehen sollte zeigt das Beispiel der App Clubhouse: Im Frühjahr diesen Jahres rollte der Clubhouse-Zug pünktlich zum verlängerten Pandemie-Blues auch über die digitalen Wohnzimmer dieses Landes hinüber – und zeigte potentiellen Nutzer*innen per Einladung, ob man cool genug war, part of the gang zu werden oder nicht.

Von dem fragwürdigen Exklusivitätscharakter der App abgesehen stand Clubhouse auch wegen seiner eingeschränkten technischen Verfügbarkeit bereits in der Kritik: Die App konnte zunächst nur mit dem iPhone genutzt werden – so wird eine technische Unzulänglichkeit für viele andere Menschen geschaffen, die dadurch keinen Einblick in die Filterblase Clubhouse erlangen (konnten). Mittlerweile ist auch eine öffentliche Beta-Version für Android Nutzer*innen verfügbar.

Auch die Inklusion von Clubhouse lässt zu wünschen übrig – unter anderem der Aktivist Raul Krauthausen bemängelte, dass die App durch das ausschließliche Anbieten von Audio-Tonspuren gehörlose Menschen systematisch ausschließe. Was man Clubhouse allerdings lassen muss: Durch die offen gestaltete Diskussionskultur ist es Nutzer*innen der App durchaus möglich, die Nase einmal in unbekanntes Gewässer aka digitale Räume, in denen über ein unbekanntes Thema gesprochen wird, zu stecken und die eigene Filterblase etwas zu erweitern.

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Als positiveres Gegenbeispiel dient Opel – im Spätsommer 2019 nutzte der Automobilhersteller den großen Einfluss des Influencer-Marketings, um die Kampagne „break-the-bubble“ besonders einer jüngeren Zielgruppe näher zu bringen.

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Mit dem Slogan „break the bubble“ will Opel allerdings nicht zur Militanz gegen Filterblasen aufrufen – dahinter steckt „nur“ eine Werbekampagne, die auf „die viele heiße Luft, die rund um das Thema „Mobilität der Zukunft“ gemacht wird“, aufmerksam machen soll.

Nichtsdestotrotz ist die Kampagne von Opel zur E-Mobilität einer von vielen Schritten in die richtige Richtung was das Thema Klimaschutz und die entsprechende Vermittlung und Wahrnehmung von progressiven Inhalten angeht. Durch die digitale Präsenz von Influencer*innen gelangt das Thema des Klimaschutzes in den Filterblasen-Radius von einer eher jüngeren Zielgruppe – dadurch erweitert beziehungsweise verstärkt sich deren Bubble in Sachen Klimaschutz. Well done, Opel!

Good to know: Mit Jürgen Klopp als Testimonial versenkt Opel seinen Ball auch in das Filterblasen-Netz von Fußballbegeisterten!

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Lösungsansätze

Damit wir als Marketer*innen auch in Zukunft lösungsorientiert an die Erweiterung unserer Filterblasen rangehen, hier ein paar Tipps zur praktischen Umsetzung im stressigen Alltag:

Inhaltlich

  • Nutze möglichst einfache Sprache, um so viele Menschen wie möglich erreichen zu können. Als Beispiel kannst du dir hier anschauen, wie die Bundesregierung Informationen in leichter Sprache abbildet.
  • Kommuniziere so inklusiv wie möglich – an dieser Stelle kannst du dir nochmal das Beispiel von Clubhouse anschauen und feststellen, dass beispielsweise auch gehörlose Menschen gerne Gebrauch von marketingrelevanten Inhalten machen möchten. Dasselbe gilt natürlich auch für alle anderen Menschen mit Behinderungen. Als Positiv-Beispiel dienen an dieser Stelle die Kolleg*innen von headspace.

Technisch

  • Um als Marketer*in die eigene Filterblase (und im übertragenen Sinne auch die der Nutzer*innen, die wir erreichen) zu erweitern, bedarf es manchmal mehr als nur einen guten Willen: mit Tools wie Hi From The Other Side oder Read Across The Aisle können wir unseren Horizont erweitern und zur Abwechslung auch mal „die andere“ Seite einnehmen. Dieser Perspektivwechsel wird nicht nur uns, sondern auch unseren (marketingrelevanten) Inhalten guttun.
  • Wie wir bereits wissen, spricht Pariser Plattformen wie Google eine große Verantwortung in Sachen Filterblasenbildung zu. Aber auch Google bietet seinen Nutzer*innen die Möglichkeit, mit der Erweiterung Escape Your Bubble die Sichtweisen und Einstellungen von anderen Menschen besser nachvollziehen zu können.

Wenn du noch mehr Inspiration in puncto Filterblasenerweiterung brauchst, kannst du dich auf folgenden Profilen und Plattformen weiter informieren:

  • Die Aktivistin Louisa Dellert ist das beste Beispiel dafür, wie man seine persönliche Filterblase durchbrechen kann: bevor sie als Unternehmerin im nachhaltigen Bereich tätig wurde, arbeitete sie unter anderem als Fitness-Influencerin (dazu sei gesagt, dass sich diese zwei Punkte keineswegs gegenseitig ausschließen). Durch ein besonderes Erlebnis im Urlaub wurde Louisa auf das Thema Umweltschutz aufmerksam und fing an, sich mehr in diesem Bereich zu engagieren. Sowohl auf ihrem Instagram-Kanal als auch in ihrem Podcast informiert Louisa über gesellschaftskritische Themen.
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  • Auch YouTube-Formate wie Die Frage und Y-Kollektiv, beide produziert von funk, setzen mit ihren gezeigten Inhalten auf die Grundvoraussetzung Neugierde hinsichtlich ihrer Zuschauer*innen.
  • Die Philologin und Autorin Victoria Müller interviewt in dem Podcast LAB GAP, in Zusammenarbeit mit dem digitalen Magazin EDITION F, wöchentlich hochrangige Wissenschaftlerinnen. Die besprochenen Themen reichen von der Entwicklung tierversuchsfreier Forschungsmethoden bis hin zu Polarexpeditionen und Klimawandel. Der Grundtenor bleibt allerdings immer gleich: Warum arbeiten (noch) so wenig Frauen in Wissenschaft und Forschung? Müller will mit Lab Gap die dahintersteckenden Strukturen aufzeigen und weibliche Vorbilder in den Filterblasen-Fokus von (jungen) Frauen stellen.

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Fazit

Bezüglich der Filterblasen-Thematik können auch wir Marketer*innen keine allgemeingültigen Lösungen liefern, sondern nur Überlegungen und Vorschläge. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass wir uns sowohl über unsere eigenen Filterblasen im Marketing bewusst sind als auch über die unserer Mitmenschen. So können wir denjenigen Verständnis und Nachsicht entgegenbringen, die nicht immer einer Meinung mit uns sind – und trotzdem Lust dazu haben, etwas am Ist-Zustand progressiv zu verändern.

Sarah Maroulis
Sarah ist als Werkstudentin mit dem Schwerpunkt Content Creation bei House of Yas unterwegs. Ihr Aufgabengebiet umfasst unter anderem das Texten und Geschichten erzählen. Nebenbei studiert sie Literaturvermittlung in den Medien im Master.
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