MarTech ist plötzlich überall. Durch die fortschreitende Digitalisierung, nochmal beschleunigt durch die Pandemie, werden digitale Marketing Tools für Unternehmen essenziell. Gleichzeitig wächst die Branche immer weiter: Chiefmartec.com schätzt die Anzahl der MarTech-Lösungen auf 8.000, Tendenz steigend.
Für MarTech-Kund*innen sieht das dann so aus:
(Quelle: Chiefmartec)
Aber auch MarTech-Unternehmen selbst haben es dadurch nicht leicht: Wie sollen sie sich bei diesem schwindelerregenden Angebot überhaupt durchsetzen?
Ein entscheidender Hebel in hochkompetitiven Märkten ist Marketing. Doch was macht gutes MarTech-Marketing aus?
Wir schauen uns in diesem Artikel Best Practices, Trends und Auffälligkeiten entlang der Flywheel-Phasen an und beantworten die Fragen: Was können aufstrebende MarTechs und sonstige SaaS-Firmen von großen Playern lernen? Und wo haben auch etablierte MarTechs noch Potenzial?
Inhaltsverzeichnis
Was ist das Flywheel?
Zunächst mal die Basics: Als Flywheel bezeichnen wir ein Marketing-Modell, das sich anders als der Funnel auf langfristige Kundenbeziehungen fokussiert und die gesamte Customer Experience berücksichtigt.
Dieses Kreismodell stellt der Einbahnstraße des Funnels also ein durchlässiges Ökosystem entgegen, innerhalb dessen Privat- und Geschäftskund*innen als dauerhafte Kontakte nachhaltig auf die Wertschöpfung des Unternehmens einzahlen. Die Beziehung zwischen Kund*in und Unternehmen wird hier also als Kreislauf verstanden.
Das Flywheel lässt sich auf sämtliche Branchen anwenden und ist dementsprechend ein geeignetes Framework, um das Marketing von MarTech-Unternehmen unter die Lupe zu nehmen.
Wir gehen das Flywheel nun Phase für Phase ab und schauen uns an, wie MarTech-Platzhirsche und die, die es werden wollen, erfolgreich Marketing betreiben!
ATTRACT
In der Attract-Phase geht es um das Bekanntmachen des eigenen Unternehmens. Hier versuchen MarTechs, auf den Radar potenzieller Kund*innen zu erscheinen.
Wie generieren MarTech-Unternehmen Aufmerksamkeit bei fremden Nutzer*innen?
Jagen wir verschiedene Beispiele durch das Tool Similar Web, sehen wir: MarTechs generieren auffällig viel Traffic über Organic Search.
Warum nimmt Search so einen großen Stellenwert ein und mit welchen Inhalten positionieren sich MarTechs auf den Suchmaschinen? Die Antwort: Es gibt viele Fragen!
Help-Content als (SEO-)Fundament der Content-Strategie
“Help! I need somebody 🎶”, denken sich potenzielle Kund*innen und wenden sich mit ihren Fragen und Problemen bei unterschiedlichsten Themen an Google und Co.
Als Player in der Digital Marketing Branche bewegen sich MarTechs inhaltlich in einem besonders komplexen und schnelllebigen Themenumfeld. Denn anders als etwa in der Fertigungsbranche benötigen Kund*innen von MarTech Software nicht nur das Produkt selbst, sondern zum einen Fachwissen und zum anderen Service-Leistungen für eine erfolgreiche Anwendung.
Potenzielle Kund*innen artikulieren diesen Bedarf nach Fachwissen vor allem über Suchmaschinen. Deshalb legen MarTechs hier einen Fokus auf Help-Content, um zu relevanten Themen auffindbar zu werden und sich dort als kompetenter Problemlöser zu etablieren.
Über hochwertigen und erschöpfenden Ratgeber-Content zum Anwendungsgebiet können sich MarTechs schließlich genau dort positionieren. Sie geben kostenlos Wissen an potenzielle Kund*innen weiter und damit gleichzeitig durch diese Hilfsbereitschaft einen Vorgeschmack auf ihre Service-Leistungen.
In welch krassem Ausmaß MarTechs auf ihren Webseiten auf Help-Content setzen, sehen wir z.B. bei SEO-Tool-Anbieter Sistrix.
Und in der Tat generieren die Verzeichnisse „Frag Sistrix“, „News“ und „Tutorials“ die höchste Sichtbarkeit und die meisten high-ranking Keywords. Eben all diese Seiten, auf denen (potenzielle) Kund*innen Hilfe zu Tools oder aktuellen Themen finden.
Das deckt sich auch mit unseren Erkenntnissen bei anderen MarTech-Unternehmen: Hier machen Verzeichnisse abseits ratgebender Inhalte in der Regel einen verschwindend geringen Teil der URL-Landschaft aus.
Wie ist dieser Help-Content nun inhaltlich aufgebaut?
Markant ist: MarTechs siedeln ihren Help-Content mehrheitlich in einem Ressourcenbereich an. In dem ist standardmäßig ein Blog oder Magazinbereich zu finden.
Marketing-Tool-Anbieter, wie Semrush und Hubspot, denken den Help-Content noch einen Schritt weiter: In den zugehörigen Academies können Interessierte Online-Kurse zu ausgewählten Themen belegen. Diese sind nicht ausschließlich auf das jeweilige Tool bezogen und helfen demnach auch Nicht-Kund*innen. Das positioniert die Unternehmen sowohl als Expert*innen mit ihrem Tool als auch in ihrer Branche generell.
(Quelle: Semrush Academy)
Zielgruppe sind also nicht zwangsläufig nur die Kauf-Entscheider*innen in Unternehmen, sondern vor allem Anwender*innen. Diese können zu Multiplikatoren für MarTechs werden, wenn sie beispielsweise ihr Kurs-Abschluss-Zertifikat via Social Media veröffentlichen.
(Quelle: LinkedIn Beitrag von Rashmirekha Nanda)
MarTechs setzen damit in der Attract-Phase also auch auf Word-of-Mouth-Marketing, um bekannt zu werden.
Aber das ist nicht der einzige Marketing-Hebel, den MarTechs auf den sozialen Plattformen anwenden.
Social Media: Macht den Unterschied
Was uns eine Analyse mit Similar Web ebenfalls zeigt: MarTechs positionieren sich vermehrt auf dem weltweit größten Business-Netzwerk LinkedIn, um Marketing-Entscheider*innen und Anwender*innen zu erreichen – und zwar teils mit substanziellen Longform-Posts.
So postet das Social-Media-Tool Hootsuite Key-Takeaways aus Studien als Dokument auf LinkedIn, um primär Marketeers auf Entscheider*innen-Level mit den wichtigsten Branchen-Kennzahlen zu versorgen.
(Quelle: LinkedIn Beitrag von Hootsuite)
Semrush dagegen legt den Fokus auf kleinteilige Infografiken, wie Checklisten und praxisnahe Ratgeber, und spricht damit in erster Linie Marketing-Mitarbeitende auf operativer Ebene an – unabhängig vom eigentlichen Tool.
User*innen können diese nicht nur selbst aktiv nutzen, sondern teilen sie auch mit ihren Follower*innen und werden so wieder selbst zu Multiplikatoren gemacht.
(Quelle: LinkedIn Beiträge von Semrush)
Warum LinkedIn?
Im Gegensatz zu Twitter, Instagram und Co. bietet LinkedIn Raum für mehr Substanz: Hier sind Beiträge bis zu 1.300 Zeichen möglich, die damit einen detaillierten Einblick in ein Thema bieten können. Gleichzeitig unterstützt die Plattform viele verschiedene Bildformate.
Sehen wir uns die Instagram Kanäle von Semrush, Hootsuite und HubSpot genauer an, fällt hier auf: Auch Instagram scheinen MarTechs primär für Educational Content zu nutzen – natürlich aufs Quadratformat zugeschnitten, aber vor allem auch in Form von Videos.
(Quelle Instagram Accounts hubspot, hootsuite & semrush)
So bespielen all unsere Beispiele die Formate IGTV, einige auch Reels und Guides. In den Story-Highlights finden in kurzen Videos Marketing-Tipps oder Q&A-Formate ihren Platz. Ratgebender Content wird also auch hier ganz großgeschrieben. Und dafür ist in Videos mehr Zeit als auf statischen Bildern.
Muss es dann doch mal etwas ausführlicher sein, geht es für MarTechs zu YouTube. Hier liegt zunächst auf der Hand, Tutorials für das eigene Tool bereitzustellen. Semrush versteht die Plattform aber auch als das, was sie ist: nämlich die zweitgrößte Suchmaschine der Welt.
Analog zum Website-Content adressiert das MarTech hier explizit die Nutzer*innenfragen. Mehrmals im Monat, aufwendig produziert und vor allem: mit eine*m sympathischen Talkhead, die*der das Unternehmen menschlich, kompetent und zugänglich macht. Der Aufwand zahlt sich aus: Semrush landet zu generischen Themen wie “Digital Marketing Trends” auf Platz zwei.
MarTech goes Podcast!
Podcasts sind zurzeit das Trendmedium schlechthin. Auch im B2B-Bereich werden sie immer gefragter. Allerdings haben wir bei unseren Recherchen bislang nur wenige MarTech-Podcasts gefunden, wie etwa den HubSpot Digital Helpdesk oder den Salesforce Admins Podcast.
Das heißt: Anders als etwa bei Google oder YouTube ist der Audiomarkt für Help-Content offenbar noch nicht so dicht besiedelt, zumindest was das Angebot von MarTech-Unternehmen angeht. Solltest du in deinem Unternehmen also jemals über einen eigenen Podcast nachgedacht haben, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt dazu.
Paid Media: Rares für Bares
Sehen wir uns die Social-Media-Paid-Kampagnen gängiger MarTech Unternehmen an, finden wir eine Sache besonders auffällig: Auch hier wird eher Werbung für den eigenen Help-Content gemacht als für das Tool selbst. So fährt beispielsweise HubSpot Kampagnen für die eigenen eBooks und Studien.
Das erweckt den Eindruck, dass es dem Unternehmen in erster Linie um das Lösen von Problemen geht. Ganz im Sinne des Flywheels steht hier die Zielgruppe im Zentrum.
(Quelle: Facebook Ads Hubspot)
So ganz uneigennützig scheint dieser Ansatz jedoch nicht. Die beworbenen Ratgeber-Inhalte befinden sich in der Regel hinter einem Lead-Formular, um Interessent*innen direkt von der Attract- in die Engage-Phase des Flywheels “einzukaufen”.
Kostenfreie Tools als Kostproben deiner Expertise
Es lohnt sich, das eigene Know-how der Öffentlichkeit preiszugeben. Im Optimalfall bringt das Besucher*innen dazu, immer wieder deine Seite zu besuchen und so nach und nach zu Fans zu werden.
MarTechs können hier noch einen Schritt weitergehen und tun das in der Regel auch: Mit ausgewählten, frei zugänglichen Tools geben sie direkte Einblicke in die Performance des MarTech-Tools. So wird Vertrauen geschaffen.
Die Idee: Wenn User*innen mit dem kostenfreien Tool A Erfolge erzielen, werden sie sich eher auch das kostenpflichtige Tool B ansehen.
Dafür stellen MarTech Unternehmen gerne kostenfreie Tools zur Verfügung, die jede*r nutzen kann:
- Der A/B Test Sample Size Calculator von Optimizely lässt Besucher*innen die Größe einer A/B-Testgruppe berechnen. Dafür müssen nicht mal die eigenen Daten dagelassen werden.
- Den Fanpage Karma Hashtag Composer für Instagram können User*innen immer dann nutzen, wenn sie mal nicht wissen, mit welchen Hashtags sie einen Beitrag auffindbar machen können. Dabei werden nicht nur thematisch passende Tags vorgeschlagen. Fanpage Karma greift hier außerdem auf die eigenen Datensätze zu und gibt über Farbcodes an, wie viele Likes und Kommentare pro Reichweite ein Hashtag erzielt.
- Sistrix stellt gleich eine ganze Reihe kostenloser SEO-Tools zur Verfügung, wie z.B. einen SERP-Snippet Generator.
ENGAGE
In der Attract-Phase werden aus Fremden Interessent*innen – nun sollen sie in der Engage-Phase zu Kontakten und Kund*innen konvertieren. Der Grundstein für eine langfristige Beziehung zwischen Unternehmen wird jetzt gelegt.
MarTechs nutzen für diesen Schritt ihre eigene Website. Hier erstrecken sich in der Regel große Content-Welten, die Interessierte proaktiv weiter durch die Customer Journey führen. Wie diese Content-Welten im Detail aussehen, schauen wir uns jetzt an!
Website als primärer Faktor der Engage-Phase
Ästhetik: Lookin’ good!
Das erste, was einer*einem Besucher*in einer Website auffällt, ist das Design. MarTech Unternehmen triggern hier vor allem über die Farbgebung ganz bewusst bestimmte Emotionen.
So fällt bei Semrush auf, dass insbesondere gesättigte Farben in Komplementärkontrasten zum Einsatz kommen. Vor allem die Farben Orange und Lila zeigen dabei den Mut aufzufallen, aber auch Selbstbewusstsein und Dominanz. Übrigens: Das Gleiche spiegelt sich in der direkten, persönlichen Ansprache wider:
“Dominiere deinen Markt” mit “Tools für alles”, denn Semrush “weiß sehr viel” durch die “weltweit größte Datenbank”.
(Quelle: Semrush Startseite)
Anbieter wie Semrush und Hubspot bringen durch auffällige Farben sowie verspielte Grafiken und Bilder mit handgezeichneten Elementen den “Fun” zurück in “Funnel”: Sie wollen zeigen, dass mehr Wachstum nicht zwingend mit trockener Analyse von Daten zusammenhängen muss – das übernehmen die Tools!
Marketing is art!
(Quelle: Semrush Startseite)
(Quelle: Hubspot Startseite)
Ein Kontrastprogramm gibt es etwa bei den Anbietern Hootsuite und Sistrix: Hier wird auf Pastellfarben und Blau gesetzt. Alles wirkt sehr klinisch, sauber und seriös. Das funktioniert vor allem dann gut, wenn es zum Werteversprechen des Tools passt.
Sehen wir uns beispielsweise Hootsuite genauer an: Als Tool für Social-Media-Management verspricht es mehr Ordnung und bessere Organisation. Die Designsprache untermauert dieses Versprechen: Social Media ist chaotisch und anstrengend? Mit Hootsuite nicht mehr!
Marketing is science!
(Quelle: Hootsuite Startseite)
Versuchen wir dementsprechend, die MarTech Unternehmen, die wir uns angeschaut haben, auf der Limbic Map zu verorten, ergibt sich folgendes Bild bzw. GIF:
Inhalt: Jetzt geht’s ans Eingemachte!
Wie wir in der Attract-Phase schon festgestellt haben, überzeugen MarTech-Unternehmen inhaltlich vor allem mit ihrem Help-Content. Diesen gilt es auf der Website strukturiert auffindbar zu machen.
Die Lektion etablierter MarTechs: Nimm die Besucher*innen an die Hand und führe sie mit einer nachvollziehbaren Website-Struktur durch deinen Content.
Dem A/B-Testing-Anbieter Optimizely gelingt das so: Er gliedert die Ressourcen in die drei Kategorien:
- Lernen
- Teilnehmen
- Tools
Je spezieller also der Anwendungsfall, desto tiefer gelangen die Besucher*innen in die Content-Welt hinein und je näher kommen sie dem Tool.
(Quelle: Optimizely Website)
Was sind die Themenschwerpunkte der Magazinbereiche?
MarTech-Unternehmen beschäftigen sich auf ihrer Website mit Marketing und Technik – klingt logisch! Interessant wird es jedoch, wenn wir uns angucken, wie breit sie die Zielgruppe und für sie wichtige Themen ansprechen:
HubSpot versucht (ähnlich wie das zugehörige, umfassende Tool) mit seinen Ressourcen alle gängigen Themen im Marketing, Sales und Service abzudecken: Von Webhosting-Vergleichen über SEO-Strategien bis hin zu den besten Playlists zum Arbeiten ist wirklich für JEDE*N was dabei!
Einen anderen Ansatz verfolgt Sistrix: Der Blog dreht sich fast ausschließlich um die komplexe Analyse neuester SEO-Entwicklungen. Diese Nischen-Themen berühren zwar vermutlich eine kleinere Zielgruppe, diese wird aber von dem Detailgrad der Analysen begeistert sein. Das Sistrix-Team beweist hier, dass es beim Thema Suchmaschinenoptimierung aus absoluten Expert*innen besteht.
HubSpot bietet als All-in-one Tool Lösungen für Social Media Marketer*innen, Vertriebler*innen, Service etc. und hat eine größere Zielgruppe zu bedienen als das SEO-Tool Sistrix, welches sich primär an SEO-Fachleute richtet.
Es ist also sinnvoll, als MarTech die eigene Themenwelt immer auf die Größe und die fachliche Diversität der Zielgruppe auszurichten.
Besonderheiten/Alleinstellungsmerkmale der Startseite
So unterschiedlich die Websites der untersuchten MarTech-Unternehmen auch aussehen mögen, eines haben sie alle gemeinsam: Sie kommen auf der Startseite schnell auf den Punkt!
Während ringsum der Fokus auf den Anwender*innen liegt, werden auf Start- und Produktseiten in erster Linie Marketing-Entscheider*innen abgeholt. Die Tool-Features sind abstrahiert oder vereinfacht dargestellt, die USPs werden betont und die Ansprache ist auf Wirtschaftlichkeit geeicht.
Im besten Fall sehen die Besucher*innen auf einen Blick, wofür das jeweilige Tool geeignet ist oder was sie damit erreichen. Das kommt ihnen sehr entgegen, schließlich müssen sie sich – wir erinnern uns – in einem Markt mit über 8.000 Lösungen zurechtfinden!
Besonders gefällt uns der erste Eindruck von Typeform: Das Unternehmen wählt auf der Startseite eine emotionale Tone of Voice: “Deine Zielgruppe wird keine langweiligen Formulare ausfüllen. Mit einem Typeform-Formular machst du alle glücklich!”
…und nebenher läuft ein kurzes Video, das zeigt, wie das aussehen kann.
(Quelle: Typeform Startseite)
Natürlich gilt es die Besucher*innen hier auch zur Interaktion zu motivieren. “Get started – it’s free” heißt es bei Typeform. Sehen wir uns den CTA der Semrush-Startseite an, fällt auf: Auch hier wird auf eine “Einfach mal machen”-Mentalität gesetzt.
Es geht nicht direkt ums Kaufen, sondern zunächst nur um einen kostenlosen, unverbindlichen Test. Der Hintergrundgedanke: Das Unternehmen möchte den Besucher*innen zeigen, dass es primär helfen und nicht verkaufen möchte.
Der Test funktioniert in der Regel über die Account-Erstellung – an dieser Stelle werden Interessierte also ganz nebenbei zu wertvollen Kontakten.
(Quelle: Semrush Startseite)
I need a Hero(-Content)!
Überzeugender Hero-Content, der vor allem durch die Corona-Pandemie an Beliebtheit gewonnen hat, sind Webinare. Diese ersetzen 2020 (und so wie es aussieht auch 2021) Events.
Das Webinar vereint das beste aus allen vorangegangenen Help-Formaten. Es dient dazu, anschaulich Wissen zu vermitteln, macht das Unternehmen greifbar durch eine*n Speaker*in und ermöglicht zudem den direkten Austausch.
Beim Hubspot CX Spotlight 2021 besonders cool: Alle Teilnehmer*innen dürfen einem exklusiven Slack-Channel beitreten, auf dem nicht nur der Austausch mit den Veranstalter*innen, sondern auch das Networking untereinander möglich wird. Auf diesen Community-Aspekt im MarTech-Marketing kommen wir weiter unten noch einmal zu sprechen.
Auf der Sistrix Website haben wir außerdem ein spannendes Feature gefunden: Hier werden Nutzer*innen des Tools unten rechts in Echtzeit Live-Webinare eingeblendet.
(Quelle: Sistrix Website)
Das führt uns zur nächsten Auffälligkeit von MarTech-Websites: die Technik!
Technik: Werde kreativ!
In unseren untersuchten Beispielen nutzen MarTechs ihre Website dazu, besonders die Tech-Muskeln spielen zu lassen, um sich als State of the Art der Branche zu inszenieren – sei es durch Webinar-Einblendungen, interaktive Elemente, sich aufbauende Grafiken oder andere UX-Finessen.
Screenshots waren gestern! Bei Typeform können sich Nutzer*innen selbst durch Beispiel-Formulare klicken und erhalten so tiefere Einblicke in die Funktionsweise des Tools. Das ist nicht nur interessant und liefert spannende Eindrücke des Tools, sondern macht auch noch Spaß:
(Quelle: Typeform Website)
MarTechs arbeiten außerdem auffällig oft mit Chatbots – aus nachvollziehbarem Grund. Wenn Besucher*innen gezielt auf der Start- oder Produktseiten landen, bringen sie unterschiedlichste Fragen rund um das Produkt mit.
Damit sie sich nicht durch die ganze Seitenstruktur klicken müssen, dient ein Chatbot hier als willkommene Navigationshilfe und versucht so zunächst auch ohne “echten” menschlichen Support zu helfen.
HubSpot geht das Thema über den eigenen “HubBot” (Pluspunkte gibt es für den Namen) an und vermutet hier von Anfang an eine*n Entscheider*in hinter dem Bildschirm, die*der über das Produkt sprechen möchte:
(Quelle: Hubspot Website)
Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln, wie Chatbots und On-Site-Demos, dient insbesondere Entscheider*innen ohne Fachwissen und ohne viel Zeit, schnell die Benefits des Tools zu vermitteln!
Lead-Generierung
Guten Hero-Content gibt’s im Austauch mit personenbezogenen Daten. Dieses Leadmagnet-Prinzip ist der gängigste Weg zur digitalen Lead-Generierung. MarTechs machen das mit kostenlosen Test-Accounts oder Demos, aber auch mit besonders umfassenden und aufwendig produzierten Content-Angeboten, z.B. in Form von Help-Content (eBooks, Studien, Webinare).
Wie funktioniert die Lead-Generierung im Detail? Das schauen wir uns anhand der Formulare von Hooutsuite und SocialHub an:
Besucher*innen, die sich einen besseren Eindruck von einem MarTech-Tool machen wollen, können oft einen Termin für eine Live-Demo ausmachen. Um die wichtigsten Daten dafür einzuholen, werden standardmäßig Formulare verwendet.
Trocken den Namen, E-Mail und die Telefonnummer abfragen kann jeder: Hootsuite denkt bereits ans Nurturing und geht im Kontaktformular direkt auch auf die größte Herausforderung in den sozialen Medien ein. Dadurch kann Hootsuite seine Leads segmentieren und beim späteren Nurturing passgenaue Inhalte basierend auf der angegebenen Präferenz schicken.
(Quelle: Hootsuite Website)
SocialHub versucht das tendenziell zeitaufwendige Ausfüllen für die Nutzer*innen möglichst angenehm zu gestalten, indem Informationen stufenweise abgefragt werden und bekannte Angaben bereits vorausgefüllt sind. Das spart Zeit, bringt etwas Gamification in die Datenabfrage und hinterlässt ein positives Gefühl beim angehenden Kontakt.
(Quelle: SocialHub Website)
E-Mail-Nurturing: Häppchenweise Wissen verteilen
Wir haben gesehen, dass MarTechs viel Ratgeber-Content veröffentlichen, um in relevanten Themenbereichen einen möglichst großen Raum zu besetzen. Neben Raum spielt aber auch Zeit eine wichtige Rolle. Denn – und das gilt für viele andere SaaS-Produkte und B2B-Angebote allgemein:
Die Entscheidungsfindung kann unter Umständen mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Um als MarTech-Unternehmen über einen längeren Zeitraum nachhaltig Vertrauen bei potenziellen Anwender*innen und Entscheider*innen zu schaffen, kann es helfen, regelmäßig auf die eigene Expertise zu verweisen und sich so permanent ins Gedächtnis zu rufen.
Ein beliebtes, weil niedrigschwelliges Angebot sind regelmäßige Mailings via Newsletter, die von MarTechs in der Regel gegen die Abgabe von Name und E-Mail-Adresse angeboten werden.
Wichtigste Frage, die MarTechs beantworten müssen: Was ist der Mehrwert eines Abonnements? Damit Swat.io etwa nicht einfach nur noch einen Newsletter anbietet, versucht das Unternehmen beispielsweise mit dem Social Proof des Newsletters zu überzeugen: Wenn ihn über 17.000 Expert*innen auf dem Gebiet lesen, wird da vielleicht auch für mich als Interessent*in etwas Nützliches dabei sein.
(Quelle: Swat.io Website)
HubSpot hingegen lockt mit der “Fear of Missing Out”: Wer diesen Newsletter nicht liest, erhält vermeintlich weniger Infos als die Konkurrenz.
(Quelle: Hubspot Website)
Talkwalker wiederum setzt auf volle Transparenz. Interessierte haben die Möglichkeit, den Auszug eines Beispiel-Newsletters anzusehen und sich so bereits vor der Anmeldung von der Qualität des regelmäßigen Inputs zu überzeugen.
(Quelle: Talkwalker Website)
DELIGHT
In der Delight-Phase geht es aus Unternehmenssicht nun darum, die gewonnenen Kund*innen zu halten und zu Stammkund*innen zu machen. Aber nicht nur das! Das Flywheel ist keine Einbahnstraße und so können und sollten auch Personen in der Delight-Phase nicht isoliert von den anderen beiden Bereichen adressiert werden.
Nachhaltiges Marketing konzentriert sich nicht allein auf die Upselling-Potenziale der Kund*innen, sondern setzt eine Eigendynamik in Gang, in der Kund*innen eben nicht nur zu Fans, sondern auch zu Fürsprecher*innen des Unternehmens werden und als solche wiederum in die Attract-Phase hineinwirken.
Weitsichtige MarTechs setzen deshalb auf Customer Service und die Power von Communities!
Customer Service: Wie können wir dir weiterhelfen?
Customer Service ist für den MarTech-Bereich ein entscheidender Faktor. MarTech-Produkte haben meist sehr umfangreiche, teils erklärungsbedürftige Funktionen.
Wie stillen Vorzeige-MarTechs diesen Service-Bedarf?
Standardmäßig setzt die MarTech-Branche auf ihren Websites auf FAQ-Bereiche oder schickt ihre Nutzer*innen durch die Entscheidungsbäume etwaiger Chatbots, um erste, generische Fragen zu adressieren oder Navigationshilfen zu geben.
Aber was, wenn bei Interessent*innen am Ende trotzdem noch Fragen offen bleiben?
Sistrix bietet an dieser Stelle proaktiv den Austausch von Mensch zu Mensch an. Gesichter der Ansprechpartner*innen, die transparente (in einladendem grün gehaltene) Angabe der Reaktionszeit und ein Hauch Lokalkolorit (“Support in Bonn”) suggerieren Nähe und animieren zum Dialog.
Für Kund*innen ein wertvolles Zeichen, dass auch bei MarTech-Tools letztlich “echte” Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen.
(Quelle: Sistrix Website)
Auch Hootsuite verweist am Ende seines Hilfebereichs auf die individuelle Problemlösung – und zwar über etwaige soziale Netzwerke, rund um die Uhr:
(Quelle: Hootsuite Website)
Bei Swat.io hingegen ist der persönliche Chat mit einer*m Expert*in die Ultima Ratio.
(Quelle: Swat.io Website)
Die Beispiele zeigen: Selbst bei umfangreichen FAQ-Bereichen bleiben gerade mit Blick auf komplexe Tools und die individuellen Anforderungen im Digital Marketing Fragen offen, die nur im persönlichen Austausch geklärt werden können.
MarTechs tun gut daran, für ein solches Angebot zu sorgen und dieses auch möglichst prominent zu platzieren, um aus hilfsbedürftigen Kund*innen Fans zu machen.
Communities: Come together
Als Ergänzung zum Customer Support kultivieren einige MarTechs eigene Communities, in denen sich Nutzer*innen untereinander helfen. Aber diese Communities sind weit mehr als nur eine Selbsthilfegruppe in MarTech-Fragen.
Motivationssprüche, generelle Marketing-Themen und vor allem: die Vernetzungsmöglichkeiten von Menschen mit ähnlichen Interessen bringen das Flywheel erst so richtig in Schwung!
Kund*innen finden nicht nur Antworten auf fachliche Fragen, sondern im Idealfall auch wertvolle Verbindungen zu anderen Menschen – das alles unter dem Dach des MarTechs. So werden nachhaltig Kund*innen zu Fans und letztlich zu Fürsprecher*innen des Unternehmens.
Wir schauen uns drei Communites näher an:
- Bei der Typeform Community handelt es sich um ein Forum, in dem Personen mit Typeform-Konto Fragen stellen oder an Diskussionen teilnehmen können. Hier geht es natürlich um das Tool Typeform, aber auch um andere Themen, wie zum Beispiel der persönlichen Quote of the day. Die User*innen helfen sich so nicht nur bei konkreten Problemen, sondern treten auch darüber hinaus miteinander in Kontakt: Sie motivieren und inspirieren sich gegenseitig.
- Ähnlich geht es bei der HubSpot Community zu. Außerdem posten hier HubSpot Mitarbeiter*innen regelmäßig Leitfäden zu Fragen, die gestellt werden könnten (z.B. hier: Wie nutze ich Tags in HubSpot).
- Social Hub geht sogar noch einen Schritt weiter: Hier werden nicht nur den Kund*innen Hilfen an die Hand gegeben, sondern auch andersherum: In der SocialHub Feature Community können Nutzer*innen ihre Wünsche an das Tool äußern, für neue Features abstimmen und so die nächste Version selbst mitgestalten.
Zusammenfassung: Das Flywheel erfolgreicher MarTech Unternehmen
Sehen wir uns zusammenfassend den durchschnittlichen Content-Cocktail an, fällt auf, dass MarTech Unternehmen viel im sogenannten Hygiene-Bereich umsetzen: Über ratgebende Inhalte stehen sie ihrer Zielgruppe zur Seite. Als Hero-Pieces funktionieren vor allem vereinzelte, groß angelegte Studien und eBooks.
So sieht der durchschnittliche MarTech Content Cocktail aus.
Für das MarTech Flywheel bedeutet das:
- In der Attract-Phase geht es darum, Anwender*innen zu überzeugen und über Word of Mouth neue Fans zu generieren. Help-Content ist dabei der Schlüssel, sei es in Form von versierten (SEO-)Fachartikeln im eigenen Blog, als detaillierte Infografiken auf LinkedIn oder mit hochwertig produzierten Erklärvideos auf Instagram und YouTube. Potenzial sehen wir hier vor allem im Audio-Bereich. MarTech-eigene Podcasts sind bislang rar gesät.
- Die Engage-Phase funktioniert zum einen ganz basal über den Newsletter. Größere Kontaktdatensätze sammeln die MarTechs dagegen primär über Gated-Premium-Content, wie etwa Zugänge zu Tools, Studien und ähnliche Hero-Pieces oder Academys. Dabei stehen statt des Produkts die Probleme der Zielgruppe im Vordergrund.
Um diese möglichst unmittelbar zu adressieren, sind nicht erst seit Corona vor allem Webinare das Format der Stunde! Daran angeschlossen ist zumeist ein Nurturing-Prozess. - In der Delight-Phase arbeiten MarTechs schließlich vor allem mit ausgebauten Service-Bereichen, aber auch immer mehr mit eigenen Community-Bereichen. Damit wollen sie nicht nur Synergien der Kund*innen untereinander nutzbar machen, sondern vor allem Fürsprecher*innen gewinnen, die das Flywheel in der Attract-Phase weiter ankurbeln.
FAZIT: Unsere drei wichtigsten Learnings
1. Anwender*innen first, Entscheider*innen second!
Erfolgreiche MarTechs konzentrieren sich bei einem Großteil ihres Marketings auf die Anwender*innen der Software. Das funktioniert über Help-Content (der sich via Social Media oder Academy-Zertifikat gut teilen lässt), aber auch über die kostenlose Nutzung von Tools oder eigenen Communities.
MarTechs muss also klar sein: Sie müssen immer in erster Linie die Nutzer*innen überzeugen und dann erst die Marketing-Entscheider*innen. Diese haben und entscheiden zwar über das Budget, sind aber nicht in erster Linie die Personen, die mit deinem Tool arbeiten müssen.
Das geht Hand in Hand mit dem Webauftritt: Hier wird das Tool auf die Basics heruntergebrochen, sodass der Mehrwert in einer Kernaussage zusammengefasst werden kann. Fachliches TamTam oder technische Details finden wir hier erst auf weiterführenden Unterseiten.
2. Video killed the Copywriter-Star
MarTechs gehen zunächst über eine emotionale Ebene und bauen so Vertrauen auf. Unterstützt wird das durch die präferierten Formate: Immer mehr MarTechs versuchen sich an Video-Content und Podcasts.
Sie wollen zeigen: Hier arbeiten “echte” Menschen, die den Kund*innen mit ihrer Expertise aushelfen. Solche persönlicheren Formate werden für MarTechs immer wichtiger, um sich als vertrauensvolle Unternehmen zu positionieren.
3. Das wichtigste Gebäude ist das Brand Building
Design und Tone of Voice muss ein klares Werteversprechen transportieren. Schließlich geht es darum, sich in einem Markt mit über 8.000 Anbietern herauszustellen.
Über die passende Farbgebung und Ansprache triggern MarTechs hier bewusst die Emotionen der Besucher*innen. Diese Werte müssen sich natürlich auch in den Content-Pieces widerspiegeln.