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Storytelling: Konflikte als Basis für gute Stories

So populär er auch sein mag: Storytelling ist und bleibt im Marketing-Umfeld ein noch recht vager Begriff. Wir wollen das ändern und dir in diesem Artikel das theoretische Fundament zeigen, auf dem gute Geschichten fußen: Werte und Konflikte.

In drei Schritten zeigen wir dir anhand von Beispielen großer Brands, wie du diese Werte und Konflikte in einem Prozess für dein Unternehmen entwickeln und in erfolgreiche Stories übersetzen kannst.

Ausgangspunkt dabei bietet das Core Story Canvas.

Die theoretische Grundlage für Storytelling: Das Core Story Canvas

Das Core Story Canvas wurde von Christian Riedel und Valentine Heyde konzipiert und soll als Tool dabei helfen, die Kerngeschichte einer Marke zu verstehen, zu entwickeln und zu steuern.

Die beiden Storytelling-Experten haben mit dem Canvas bereits verschiedenen Startups und Brands geholfen, die Story ihres Unternehmens besser zu verstehen und klarer zu kommunizieren.

Das Tool setzt den Standpunkt und die Mission in das Zentrum der Kommunikationsmaßnahmen und umfasst sämtliche Aspekte, die für einzelne Stories wichtig werden.

Um die Entwicklung des Leitnarrativs zu erklären, nehmen wir das Core Story Canvas als Grundlage, modifizieren und vereinfachen es allerdings etwas.

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Abbildung: „Core Story Canvas“ nach Christian Riedel und Valentin Heyde (Quelle)

Vom „Was“ zum „Wofür“! Der Shortcut durch das Core Story Canvas

Die Entwicklung eines Leitnarrativs mittels Core Story Canvas erfolgt in drei wesentlichen Schritten über die Sachebene, die Storyebene und den Konflikt.

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Abbildung:
Eigene Darstellung in Anlehnung an das „Core Story Canvas“ von Christian Riedel und Valentin Heyde sowie an den „Story Circle“ von Mirko Lange (Quelle)

1. Aus der Sachebene das „Wofür“ entwickeln

Es gilt, dafür zunächst entlang der Fragen den faktischen Status Quo des Unternehmens zu ermitteln. Alle drei Fragen zielen darauf ab, Unterscheidungsmerkmale zur Konkurrenz herauszuarbeiten, die das eigene Unternehmen einzigartig machen.

Um die dritte Frage zu beantworten, müssen schließlich vorab Buyer Personas entwickelt werden.

  • Was mache ich (anders)? (z.B. Produktgeschichte, Anwendungsgeschichte)
  • Wie mache ich das (anders)? (z.B. Produktgeschichte, Anwendungsgeschichte)
  • Für wen mache ich das (anders)? (z.B. Kund*innengeschichte, Referenzgeschichte)

Die Antworten auf diese drei Fragen schaffen die Grundlage, um auf der anknüpfenden Storyebene das ideelle „Wofür“ des Unternehmens zu finden.

2. Auf der Storyebene gemeinsame Werte definieren

Ausgehend von den Fakten auf der Sachebene müssen nun die Unternehmens- und Kund*innenwerte abgeleitet werden. Sie sind die emotionalen Zutaten für das Leitnarrativ und werden später in einem gemeinsamen Konflikt vereint.

Die Unternehmens- und Kund*innenwerte sollten gemeinsam abteilungsübergreifend im Team innerhalb von Workshops erfasst werden.

Unternehmenswerte

Unternehmer*innen grübeln bei ihrer Gründung nicht zwangsläufig über Unternehmenswerte. Sicherlich entstehen viele Startups mit einer bestimmten Vision, allerdings entwickeln sich die konkreten Unternehmenswerte erst in der täglichen Zusammenarbeit untereinander und mit den Kund*innen – und zwar zumeist unterbewusst, zunächst nur wahrnehmbar als Gefühl („Die Arbeitsatmosphäre ist gut!“).

Im Hinblick auf das Leitnarrativ ist es nun wichtig, diese Werte einmal konkret zu erfassen.

Was macht die Arbeitsatmosphäre so gut?

Wenn die Unternehmenswerte einmal niedergeschrieben sind, schafft das Ordnung und Vertrauen – sowohl nach außen als auch nach innen. Jede*r Mitarbeitende und Bewerber*in weiß, woran er ist und auch jede*r Kunde*Kundin und Interessierte kann dadurch erfassen, „wofür“ das Unternehmen steht.

Die Unternehmenswerte sind letztlich konstituierend für die Marke. Je klarer diese definiert sind, desto wirkungsvoller ist die Marke.

Welche Werte sind für das Unternehmen relevant?

Gemeint sind hiermit konkret Werte hinter dem eigentlichen Produkt bzw. der Dienstleistung: Was treibt den Geschäftsführer und die Mitarbeitende um?

Hier findet nun ein Rückbezug auf die Sachebene statt:

  • Wie werden die Produkte hergestellt?
  • Welche Besonderheiten gibt es beim Herstellungsprozess im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen?
  • Warum legt das Unternehmen Wert auf diese Besonderheiten?

In der Regel liefert die Gründungsgeschichte zusätzliche Anhaltspunkte.

  • Welche Regeln und Rituale haben sich im täglichen Miteinander der Kolleg*innen etabliert und warum?
  • Welche Werte bestimmten maßgeblich die Unternehmenskultur?

Ein Autohersteller legt bei der Produktion möglicherweise besonderen Wert auf eine bestimmte Ästhetik oder die Verarbeitung oder geht aktiv gegen vermeintliche Missstände innerhalb der Branche vor und verarbeitet nachhaltige Materialien etc.

Kund*innenwerte

Im nächsten Schritt gilt es den Blick auf die Kund*innen zu wenden.

Welche Werte sind für die Kund*innen relevant? Was treibt die Kund*innen um? Auch hier findet nun ein Rückbezug auf die Sachebene statt.

  • An wen richten sich die Produkte und Dienstleistungen?
  • Wie ticken die Kund*innen?
  • Inwiefern ticken sie anders als die Kund*innen der Konkurrenz?

Die Wertvorstellungen der Kund*innen werden idealerweise bereits bei der Entwicklung der Buyer Personas herausgearbeitet.

Aus Sicht eines Autoherstellers geht es den eigenen Kund*innen vorrangig um Mobilität.

Im Dunstkreis dieses funktionalen Bedürfnisses befinden sich aber eben noch weitere emotionale Bedürfnisse:

  • Anerkennung
  • Attraktivität
  • Flexibilität
  • Sicherheit
  • Geborgenheit
  • Hoffnung
  • Wahrheit
  • Kontrolle
  • Pragmatismus etc.

Parallelen zwischen Unternehmens- und Kund*innenwerten

Letztlich müssen sich Unternehmen und Kund*innen mit dem Leitnarrativ identifizieren können. Um eine gemeinsame Basis für das Leitnarrativ zu etablieren, gilt es deshalb, folgende Fragen zu beantworten:

Bei welchen Kund*innenwerten gibt es Überschneidungspunkte zu den eigenen Unternehmenswerten?

Und welche dieser Überschneidungspunkte sind innerhalb der Branche einzigartig? Im nächsten Abschnitt werden wir dazu einige Beispiele zeigen.

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3. Die gemeinsamen Werte in einen Konflikt übertragen

Sind die gemeinsamen Werte identifiziert, steht das Grundgerüst für das Leitnarrativ. Das Leitnarrativ gibt als Wegweiser an, auf welche Art und Weise diese Gemeinsamkeiten kommuniziert werden.

Um das Leitnarrativ zu entwickeln, besteht ein erster Schritt darin, die gemeinsamen Werte in Beziehung zur Umwelt setzen. Sämtliche Werte sind immer umkämpft und angreifbar.

Wo es Befürworter von Werten gibt, gibt es auch Gegner. Gerade in Konfliktsituationen lassen sich Werte besonders gut verdeutlichen.

Damit Geschichten das Publikum emotional berühren, müssen emotionale Bedürfnisse adressiert und befriedigt werden. Der Konflikt ist dazu da, emotionale – nicht funktionale – Bedürfnisse zu adressieren und Spannung aufzubauen.

Nun bietet dieser Konflikt darüber hinaus die Möglichkeit, eine Komplizenschaft zwischen Unternehmen und Kund*innen zu etablieren.

Das Hauptnarrativ muss sagen: „Wir wollen Konflikt XY in der Welt überwinden und wir können es nur mit dir erreichen“ bzw. umgekehrt: „Du willst Konflikt XY in der Welt überwinden. Das kannst du nur mit uns erreichen“.

Die entscheidende Frage ist also: Was ist der Konterpart bzw. was sind die Konterparts der gemeinsamen Werte?

Ur-Themen für Konflikte

Gängige Motive bzw. Ur-Themen für Konflikte sind:

  • Leben vs. Tod
  • Hoffnung vs. Verzweiflung
  • Wahrheit vs. Lüge
  • Liebe vs. Hass/Gleichgültigkeit
  • Gut vs. Böse
  • Geborgenheit vs. Furcht
  • Stärke vs. Schwäche
  • Treue vs. Betrug
  • Weisheit vs. Dummheit
  • Ankunft vs. Abschied
  • Gesundheit vs. Krankheit
  • Sicherheit vs. Gefahr
  • Ordnung vs. Chaos

Sogenannte Master-Plots bestimmen die Menschheit seit jeher. Sie vermitteln fundamentale Werte, die über alle Gesellschaftsschichten und Interessengruppe hinweg bekannt und gültig sind und somit ein hohes Identifikationspotenzial auf Unternehmens- und Nutzer*innenseite versprechen.

Letzteres ist wichtig, denn Kund*innen müssen sich in den Geschichten wiederfinden. Unternehmen, die eine große Zielgruppe haben, zum Beispiel

  • Banken
  • Versicherungen
  • IT-Dienstleister
  • Supermarkt-Ketten etc.

berufen sich zumeist auf obenstehende Konflikte, denn sie treffen damit mit hoher Wahrscheinlichkeit den Nerv ihrer heterogenen Zielgruppe.

Allerdings sind diese Ur-Themen auf genannten Märkten auch entsprechend hart umkämpft. Wenn sich Unternehmen für einen solchen Konflikt entscheiden, muss später tendenziell mehr Budget in die Entwicklung und Umsetzung einzelner Stories gesteckt werden, um sich erkennbar von der Konkurrenz abzuheben.

Wir sehen anhand folgender Stories, wie mit hohen Werbebudgets unterschiedliche Ur-Themen verhandelt werden:

Liebe vs. Hass/Gleichgültigkeit

Die großen Supermarktketten treten alljährlich zu Weihnachten in den Wettbewerb um Oxytocin. Wer kann mit seiner aufwendig produzierten Weihnachtsstory die meisten Botenstoffe mobilisieren?

In Kombination mit Leben vs. Tod

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In Kombination mit Ankunft vs. Abschied

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In Kombination mit Hoffnung vs. Verzweiflung

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Sicherheit vs. Gefahr

Um sich als vertrauenswürdiger Dienstleister zu positionieren, greifen Banken beispielsweise häufig auf namhafte Testimonials zurück:

In Kombination mit Zusammenhalt vs. Egoismus

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In Kombination mit Geborgenheit vs. Furcht

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Weitere Gegensatzpaare

Unternehmen mit einer spitzeren, homogeneren Zielgruppe bedienen sich oftmals nicht diesen kompetitiven Ur-Themen, sondern weichen auf ausdifferenzierte und kleinteilige Gegensatzpaare von Werten aus, beispielsweise:

  • Pragmatismus vs. Komplexität
  • Nachhaltigkeit vs. Kurzsichtigkeit
  • Minimalismus vs. Verschwendung
  • Unterhaltung vs. Langeweile
  • Abhängigkeit vs. Unabhängigkeit
  • Provokation vs. Konformität
  • politisch vs. unpolitisch
  • unkonventionell vs. konventionell
  • Selbstbewusstsein vs. Unsicherheit
  • Kontrolle vs. Kontrollverlust
  • Freiheit vs. Eingeschränktheit
  • Fokus vs. Ablenkung
  • Fortschritt vs. Stillstand
  • Mensch vs. Maschine

Auch viele dieser Konflikte sind mittlerweile hart umkämpft. Welches Unternehmen behauptet nicht, nachhaltig zu wirtschaften und will seinen Kund*innen Selbstbewusstsein schenken?

Auffällig ist, dass sich Unternehmen immer mehr mit Werten positionieren, die nicht zwingend in direktem Zusammenhang mit den Produkten und der Dienstleistung stehen, sondern über Umwege Verknüpfungspunkte bieten.

Headspace etwa macht sich die Konflikte clever zu eigen.

Beispiel Headspace

Die Mediations-App lässt sich vorrangig mit den Konflikten

  • Gesundheit vs. Krankheit
  • Kontrolle vs. Kontrollverlust
  • Selbstbewusstsein vs. Unsicherheit

verbinden. Allerdings sind auch diese Themen recht umkämpft.

Jedes Fachbuch, jede Yogaschule, jeder YouTube-Kurs will den Menschen zu mehr Gesundheit, Weisheit, Kontrolle, Selbstbewusstsein verhelfen.

Headspace fragt deshalb danach, was die App von weiteren Meditationsangeboten unterscheidet und wonach sich die Kund*innen außerdem sehnen. Das Leitnarrativ gründet schließlich auf den Konflikten Klarheit vs. Verwirrung sowie Unterhaltung vs. Langeweile, die sich im Content widerspiegeln.

Mit animierten Videos erklärt der Anbieter der Meditationsapp unterhaltsam und simpel psychische Probleme und entmystifiziert auf diese Weise den Weg zur inneren Ausgeglichenheit.

Headspace nähert sich der Thematik Mediation auf diese Weise sehr pragmatisch und macht Mediation für praktisch veranlagte Menschen zugänglich, die sich möglicherweise nicht mit esoterischen Herangehensweisen identifizieren können.

Emotionale Konflikte im B2B-Bereich

Bespiele für die Ausarbeitung emotionaler Konflikte finden sich vor allem im B2C-Bereich. Das kommt nicht von ungefähr. Laut GfK-Studie kennt nur etwa jedes dritte deutsche B2B-Unternehmen Storytelling. Und obwohl 90 Prozent der Befragten, die Storytelling kennen, den Ansatz als sinnvoll erachten, um ihre Inhalte zu vermitteln, wenden nur etwa 25 Prozent diese Methode auch in der Praxis an. Das sind laut Studie insgesamt nur acht Prozent aller B2B-Kommunikatoren.

Im B2B-Bereich spielen funktionale Bedürfnisse vermeintlich eine größere Rolle, weshalb B2B-Unternehmen zögern, Gefühlen mehr Platz einzuräumen.

Allerdings: Auch Entscheider*innen sind letztlich Menschen, die neben den reinen Fakten zu Produkten und Dienstleistungen auch ein Bauchgefühl besitzen. Insbesondere hier ist der Wettbewerb um packende Geschichten also noch recht ungesättigt!

Beispiel Daimler

Als Hersteller von Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen stehen für Unternehmen und Kund*innen funktionale Konflikte wie Mobilität vs. Immobilität oder Verlässlichkeit vs. Unverlässlichkeit im Vordergrund.

Daimler will seinen Geschäftskunden leistungsstarke und verlässliche LKW bieten, mit denen sie ihre Waren sicher und schnell von A nach B bekommen.

Der Konzern schlägt in seinem Unternehmensblog allerdings eine emotionale Richtung ein und hängt seine Inhalte am Konflikt Mensch vs. Maschine auf.

Das Leitnarrativ: Dass Daimler verlässliche Fahrzeuge anbieten kann, liegt nicht an den Fahrzeugen selbst, sondern ist den Menschen zu verdanken, die diese Fahrzeuge gemeinsam mit Leidenschaft und Gewissenhaftigkeit entwickeln und herstellen.

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Daimler-Blog, Musik als gemeinsame Sprache der Menschen: Der Daimler Chor Stuttgart, (Quelle: Daimler)

Sie sind die wahren Helden hinter den PS-Kolossen. Also gibt Daimler seinen Mitarbeitenden eine entsprechende Bühne und macht sich als Konzern auf diese Weise nahbar.

Fazit – Werte als Wurzel von Storytelling 

Der Ursprung von Storytelling liegt also in den gemeinsamen Werten von Unternehmen und Kund*innen: Woran glauben beide, wofür kämpfen sie und gegen wen? Wenn es Marken schaffen, auf diese Fragen die richtigen Antworten zu finden, legen sie den Grundstein für erfolgreichen Content.

In unserem eBook erfährst du, wie du aus den Konflikten Leitnarrative und schließlich konkrete Stories entwickelst.

Greif zu, wenn du dein theoretisches Wissen zum Thema Storytelling noch weiter vertiefen willst!

Manni (he/him)
Manni ist Head of Marketing und verantwortlich für die Eigenvermarktung von House of Yas. Vor seiner Zeit bei House of Yas hat er bei Radiosendern und Zeitungen gearbeitet und nebenher seinen Master in Medienkulturwissenschaften gemacht. Heute bringt er seine journalistische Erfahrung und kritische Mediendenke in den Agenturalltag ein und lässt seiner Kreativität bei der Entwicklung von neuen Formaten freien Lauf.
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